Panorama
Kardio Cuisine
Herzchirurg Dr. Nirav Patel und Sternekoch Frank Berselius vom Aska in New York haben zusammen ein Kochbuch entwickelt, mit dem Chirurgen Ihre Fingerfertigkeit trainieren können. Herausgekommen ist die ultimative Geduldsprobe selbst für absolute Vollprofis. Was das soll und warum sich ihre Berufe nicht unähnlich sind, erklären die beiden im Interview.
„KÖCHE UND HERZCHIRURGEN HABEN EINES GEMEINSAM: IHRE FINGERFERTIGKEIT.“ (FREDRIK BERSELIUS, CHEFKOCH & EIGENTÜMER, ASKA, NEW YORK)
Wie war Ihre erste Reaktion, als man Ihnen die Idee eines Kochbuchs für Herzchirurgen präsentiert hat, Herr Berselius?
FB: Zuerst fand ich die Idee etwas seltsam. Aber dann habe ich schnell verstanden, dass außergewöhnliche Fingerfertigkeit etwas ist, das wir Köche mit Chirurgen gemeinsam haben. Außerdem liebe ich Herausforderungen!
Mit dem Kochbuch sollen Chirurgen ihre Fingerfertigkeit trainieren können. Warum ist das so wichtig, Dr. Patel?
NP: Bei einer Herz-OP geht es viel um gute Vorbereitung und dass jeder im Team genau weiß, was er zu tun hat. Trotzdem muss man auch bereit sein zu improvisieren, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Und all das muss mit einer intensiven Aufmerksamkeit für jedes kleinste Detail geschehen. Ich finde, die Parallelen zur Hochküche liegen auf der Hand.
Wie war die Zusammenarbeit?
FB: Wirklich großartig. Ich habe einige Ideen präsentiert und dann haben wir bei jedem Gericht Schritt für Schritt darüber geredet, wie wir noch mehr Fokus auf den Aspekt der Fingerfertigkeit legen und dabei natürlich auch chirurgische Werkzeuge verwenden können.
Haben Sie ein Beispiel?
FB: Wir wollten beim Rehrücken-Gericht chirurgische Nadeln einsetzen. Also haben wir uns überlegt, dass wir eine mit Pilzen gefüllte Tasche aus einer Kohlart damit vernähen könnten. Wir haben uns dann für Wirsing entschieden, den wir kurz blanchieren, um ihn gerade weich genug zu bekommen, dass die Nadel durch das Blatt geht. Das Blatt muss aber auch noch so viel Struktur behalten, dass es durch den Druck des Fadens nicht auseinanderfällt.
„IN DER KÜCHE WIE IM OP MUSS MAN FOKUSSIERT BLEIBEN UND DARF SICH NIE AUFREGEN.“ (DR. NIRAV PATEL, HERZCHIRURG, LENOX HILL HOSPITAL, NEW YORK)
Und wie ist der Faden beschaffen?
FB: Wir wollten, dass er essbar ist, weich genug, um ihn vernähen zu können und widerstandsfähig genug, dass er nicht gleich reißt. Schnittlauch ist naheliegend, hat aber nicht funktioniert. Wir haben uns dann für kleine Lauchstreifen entschieden, die wir ganz kurz blanchieren.
Klingt nach einem echten Geduldsspiel …
NP: Das ist es. Und es ist dem nicht unähnlich, was wir in der Chirurgie machen. Dabei ist es auch extrem wichtig, dass die Nadel das Gewebe nicht beschädigt oder gar zerreißt. Dafür braucht es extreme Detailversessenheit und Geduld.
Werden Sie chirurgische Werkzeuge jetzt auch in der Küche einführen, Herr Berselius?
FB: Es gab definitiv einige Aha-Momente während der Arbeit am Buch. Etwa beim Parieren des Rehrückens mit chirurgischen Scheren. Ich könnte mir vorstellen, dass wir das im Restaurant in Zukunft auch so machen.
Sind Sie aus Koch- und Chirurgen-Perspektive denn mit Ihrem Kochbuch zufrieden?
NP: Absolut. Ich denke, alle neun Rezepte sind ein phänomenales Training für die Finger wie den Geist, weil sie einem besondere Aufmerksamkeit für jedes kleine Detail abverlangen.
FB: Da kann ich nur zustimmen. Und ich habe dabei außerdem viel Neues gelernt. Wann ich lieber Skalpell und Schere als ein Küchenmesser verwenden sollte, beispielsweise. (lacht)
Würden Sie also auch Berufe tauschen?
NP: Ich glaube nicht. Es hat uns beide viel Hingabe und viele Jahre gekostet, um da hinzukommen, wo wir jetzt sind. Und ich liebe einfach zu sehr, was ich tue.
FB: Machen wir lieber das, was wir am besten können. Aber unseren Austausch sollten wir fortführen!
Vielen Dank für das Gespräch!
„ICH HABE EINIGE NEUE MÖGLICHKEITEN ENTDECKT, WIE CHIRURGISCHE WERKZEUGE IN DER KÜCHE EINGESETZT WERDEN KÖNNEN.“ (FREDRIK BERSELIUS, CHEFKOCH & EIGENTÜMER, ASKA, NEW YORK)