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Für die Tonne

Das Frühstücksbuffet ist tot! Das glauben derzeit viele. Denn neben der aktuell drängenden Hygieneproblematik produziert der vor allem von Hotelgästen geschätzte Klassiker Essensabfall en Masse. Neue Konzepte sind gefragt. FRISCH hat sich auf die Suche danach begeben.

 

Hier ist trotz Covid fast alles wie immer. Der sehr gut gefüllte Frühstücksraum des gehobenen Hotels im Salzburger Land nennt sich zwar „Genussmarkt“, aber außer dass die kleinen Buffet-Inseln aussehen sollen wie Marktstände, hat sich nicht viel geändert. Salate, Gemüse, Wurst und Käse werden in übergroßen Schüsseln und auf üppigen Platten präsentiert. Die Gäste nehmen sich selbst und benutzen dabei alle die gleichen Schöpflöffel und Wurstgabeln. Aus Hygienesicht ist das zumindest fragwürdig und einer der Gründe dafür, warum viele Experten meinen, dass es das klassische Frühstücksbuffet bald nicht mehr geben wird. Daran wird wohl auch nichts ändern, dass vor besagtem Frühstücksraum eine Station mit sterilblauen Mundschutz-Paketen eher Assoziationen an Krankenhäuser weckt als an Fünf-Sterne-Luxus. „Diese Improvisation ist aktuell der Emotionskiller Nummer eins“, meint dazu Gastro-Experte und Buchautor Pierre Nierhaus, der mit seinem Unternehmen Trendreisen in die Gastro-Hauptstädte dieser Welt anbietet.

„Gerade das Frühstück bietet die Chance, Gäste zurückzugewinnen“, meint er: „Es ist enorm wichtig, wieder Vertrauen aufzubauen. Dafür braucht es durchdachte Konzepte, die auch Emotionen aufkommen lassen. Beispielsweise sehr dezente Desinfektionsspender, die sich im Look an die Einrichtung anpassen, clevere Markierungen und bauliche Änderungen, um Gedränge zu vermeiden. Ideal sind alle Maßnahmen, die gar nicht als solche erkennbar sind. Etwa vermehrtes Front Cooking oder der Einsatz von Bedienung   an bestimmten Stationen. Dadurch kann man auch das Storytelling bei speziellen Produkten enorm verbessern.“

Qualität statt Quantität

Ein Haus, das diesen Ansatz schon verfolgt, ist das Loisium. Dessen Management hat das Food-Design-Team Honey & Bunny engagiert, um das bisherige Frühstücksbuffet-Konzept komplett zu überdenken. Im Frühstücksraum des Design-Hotels führt der Weg nun über Qualität statt Quantität, weniger Selfservice und viel mehr perfekte Inszenierung. Das Wurstsortiment wurde dafür beispielsweise auf nur drei regional verfügbare Qualitätssorten reduziert, die nicht mehr auf Tabletts der unausweichlichen Rigor Mortis harren, sondern von einem Servicemitarbeiter an einer wunderschönen Maschine in hauchdünnen Scheiben heruntergeschnitten werden. „Der Hygieneaspekt war uns dabei anfangs gar nicht wichtig“, gibt Martin Hablesreiter von Honey & Bunny unumwunden zu: „Wir haben mit den Planungen schon vor Corona begonnen und unsere Hauptmotivation sehen wir darin, vermeidbare Lebensmittelabfälle zu reduzieren.“

Die sind besonders beim Frühstück enorm. Laut Universität für Bodenkultur (BOKU), die für die Initiative United Against Waste eine wissenschaftliche Erhebung in 29 österreichischen Küchenbetrieben durchgeführt hat, lag der Lebensmittelabfall bei 5 bis 45 Prozent des ausgegebenen Essens. Hochgerechnet auf ganz Österreich ergibt das rund 55.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle in der Beherbergung, 51.000 Tonnen in der Gastronomie und 79.000 Tonnen in der Gemeinschaftsverpflegung. Das entspricht einem durchschnittlichen Warenwert von ca. 380 Mio. Euro im Jahr für die ganze Branche.

Sich Alternativkonzepte fürs Frühstücksbuffet zu überlegen, berge also auch finanzielle Einsparungsmöglichkeiten, unterstreicht Dietmar Fröhlich, der mit seiner Firma Hospitality Management Consulting für United Against Waste Gastronomen und Hoteliers bei der Abfallreduktion berät: „Man kann sagen, dass sich in der Hotellerie generell 15 bis 20 % der Lebensmittelabfälle vermeiden lassen. Ein Vier-Sterne-Haus mit rund 100 Betten könnte dadurch zwischen 2.000 und 10.000 Euro pro Jahr einsparen.“

Faktor Brot

Und an welchen Stellschrauben setzen Hoteliers am besten an, um solche Ziele zu erreichen? „Brot ist beim Frühstück sicher der größte Faktor. Je mehr Vielfalt es gibt, desto größer wird der Abfallberg“, meint der Experte. Das Hotel Klosterbräu im Tiroler Seefeld hat sich nach einer Beratung durch Fröhlich deshalb dazu entschlossen, die Brotauswahl stark zu reduzieren. „Anfangs war das für die Stammgäste gewöhnungsbedürftig, aber als ihnen erklärt wurde, um was es geht, fanden die meisten die Maßnahme gut. Es kommt also auch immer auf die richtige Kommunikation an“, benennt Fröhlich einen entscheidenden Aspekt.

Wie eine Sortimentsverkleinerung umgesetzt und vermittelt wird, ist deshalb besonders wichtig für einen echten Systemwechsel: „Das Klosterbräu hat sich weg von der Breite des Sortiments mehr in Richtung Tiefe entwickelt. Es gibt jetzt beim Frühstück keine riesige Auswahl mehr, dafür aber regional erzeugte Qualitätsprodukte, die nachhaltig sind und zu denen sich Geschichten erzählen lassen. Außerdem gelingt es dadurch, dem Gast mehr Abwechslung zu bieten. Vorher war das Buffet vielfältig, aber es gab immer die gleichen Produkte. Heute wechseln einzelne Produktgruppen wöchentlich oder es gibt spezielle Angebote für kurze Zeit.“

Auch bei der Größe von Portionen und Gebinden sieht der Experte noch viel Potenzial. Je kleiner die Gebinde, desto flexibler lassen sie sich einsetzen. Wer etwa Aufstriche in verschlossenen Gläschen serviert, bannt nicht nur Hygienegefahren, sondern kann auch viel leichter nachbestücken und überzählige Gläschen bis zum nächsten Tag in der Kühlung belassen. „Wir haben außerdem die Erfahrung gemacht, dass die meisten unserer Gastro-Partner die Größe ihrer Portionen falsch einschätzen. Um 10 % könnten sie fast immer kleiner werden, sehr oft sogar um 20 %. Da hat ein echter gesellschaftlicher Wandel stattgefunden. Die Gäste wollen gar keine Riesenmengen mehr.“

Das bedeutet auch steigende Chancen für Frühstücksansätze, die sich mit einem neuen Hygienebewusstsein in Einklang bringen lassen. Patrick Hauser, Mitinhaber des Fünf-Sterne-Hotels Schweizerhof in Luzern, lässt seine Mitarbeiter beispielsweise jetzt fertig angerichtete Frühstücksteller servieren. „Das ist ein Mini-Buffet auf einer vierstöckigen Etagère, das je nach Geschmack mit Rauchlauchs, Käse oder Schinken bestückt ist“, erzählt der Hotelier, der außerdem im Vorstand des Verbandes Hotellerie Suisse ist. Zudem könnten die Gäste à la carte Rührei, Spiegelei oder Omeletten ordern, meint er. Ein cleverer Weg, die strengen Schweizer Hygienebestimmungen einzuhalten und gleichzeitig Wareneinsatz und Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Auch der Schweizer Gastroexperte Patrick Zbinden sieht vorgeplatete Frühstücksportionen oder sogar fertige Essensboxen, die Gäste vorab digital selbst zusammenstellen können, als interessante Alternative: „Enorm wichtig ist dabei aber, dass auch bei diesen Ansätzen die Sinnlichkeit nicht verloren geht“, meint er und glaubt, dass die Verpackung dafür in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird: „Mit Einfallslosigkeit, Plastik und Co. wird das nicht klappen. Obst könnte dem Gast aber im nachhaltigen Papiersäckchen samt aufgedruckter Reifegarantie übergeben werden. Ich finde, man kann sich da vom Airline-Catering im Topsegment heute schon einiges abschauen.“

 

Frühstücksinszenierung

Wie sich mit Sinnlichkeit und der richtigen Inszenierung Gäste von neuen Frühstücksansätzen überzeugen lassen, zeigt heute schon ganz konkret das Loisium. Dort versuchen die Food-Designer von Honey & Bunny mit rein visueller Opulenz den Gästen jenes Gefühl von paradiesischer Vielfalt zu vermitteln, das die klassischen Frühstücksbuffets zum Publikumsliebling hat werden lassen. Dafür kommen sie gänzlich ohne überbordenden Wareneinsatz aus. „Wir haben für den Frühstücksbereich im Loisium zum Beispiel ein sehr auffälliges Arrangement aus Obst und Gemüse gestaltet, das durch die Früchtevielfalt, seine visuelle Präsenz und Farbigkeit die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich zieht“, erklärt Martin Hablesreiter die Idee. So gelinge es, bei den Gästen eine Stimmung abzurufen, die auch für den Erfolg der normalen Buffets ausschlaggebend ist. Nur dass hier ein Mitarbeiter frische Säfte und Smoothies für jeden Gast individuell zubereitet. Alles, was dabei nicht verbraucht wird, kann abends durch die Küche weiterverwertet werden.

Einen ganz anderen, viel nüchterneren Weg gehen die Hoxton Hotels. Das auf junge, hippe Gäste abzielen-de Hotelkonzept, das seine Häuser nur in Großstädten betreibt, hat sich für sein Frühstücksangebot auch etwas Besonderes einfallen lassen. Wer kein teures und extra zu bezahlendes Frühstück mit Bedienung im Hotelrestaurant essen möchte oder es sich aufs Zimmer bringen lässt, bestellt sich einfach eine „Breakfast Bag“. Dafür müssen Gäste eine speziell designte Papiertragetasche auf dem Nachttisch ausfüllen und außen an die Tür hängen. Am nächsten Tag ist sie dann mit einem Gebäck, einem Fläschchen Saft, Obst und Müsli gefüllt. Vier Pfund extra werden dafür berechnet. Dieses Mini-Frühstück kann dann entweder im Zimmer gegessen werden oder gleich auf dem Weg zum ersten Termin in der Stadt. 

 „Ein Grund für diese Idee war sicher, dass die Hoxton Hotels bei den Online Travel Agencies mit einem günstigen Frühstücksangebot gelistet werden wollten, aber heute wird das Konzept auch aus anderen Grün-den interessant“, meint dazu Pierre Nierhaus. Vor allem Geschäftsreisende können nämlich so Zeit sparen und umgehen gleichzeitig potenzielle Hygienegefahren am morgendlichen Buffet.

Neue Ideen für Businessgäste

Dass gerade im Business-Bereich viel im Umbruch ist, merkt auch Benjamin Wagner. Er ist Geschäftsführer von Taste of Now, einem Catering-Unternehmen aus Frankfurt, das bei seinen Events Kooperationen mit bekannten Topköchen eingeht. „Wir haben schon im März den halben Jahresumsatz verloren und uns dann intensiv mit hygienisch einwandfreien Alternativen für Buffets und das Catering generell beschäftigt.“ Resultat war Stella & Now, ein Konzept, bei dem in Einmachgläsern vorportionierte Gerichte luftdicht verschlossen an Firmen ausgeliefert wurden, deren Kantinen aufgrund der Pandemie geschlossen bleiben mussten. „Daraus hat sich dann zum Beispiel auch eine Kooperation mit einem Hotel ergeben, das aus Kostengründen keine eigene Küchenmannschaft mehr beschäftigt. Die Hotelgäste können sich jetzt einfach eines der Stella & Now-Gläschen mit aufs Zimmer nehmen. Der Vorteil dabei ist, dass das Serviceteam mit diesen Bestellungen allein zurechtkommt, weil es maximal noch ums Warmmachen der einzelnen Portionen geht. Überhaupt kommt dem Personal an der Rezeption in Zukunft auch in puncto Frühstück eine viel wichtigere Rolle zu, glauben die Experten. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass man schon bald viel öfter die Möglich-keit bekommt, schon beim Check-in die Zutaten für den Wunschteller am nächsten Morgen anzukreuzen“, meint dazu Pierre Nierhaus: „Vielleicht läuft das dann auch über einen QR-Code, über den die Speisekarte online zugänglich wird.“ Sein Schweizer Kollege Patrick Zbinden schätzt die Lage ähnlich ein: „Die Menschen sind endlich bereit für Pre-Order. Jetzt wäre die Möglichkeit, die längst überfällige Digitalisierung auch im Bereich F&B und Hotellerie zu forcieren. Wir haben hier in der Schweiz mit den Molino-Restaurants einen Best Case, der zeigt, welche Vorteile so etwas haben kann. Dort wurde eine digitale Weinkarten-App am iPad eingeführt, über die sich die Gäste auch digital Vorschläge zum von ihnen bestellten Gericht machen lassen können. Seitdem sind die Weinumsätze gestiegen und es werden Weine bestellt, die vorher eher Ladenhüter waren.“

Übertragen auf das Thema Frühstück bedeutet das, dass Gäste nun erstmals einen echten Mehrwert im Ge-genzug für den Download einer Hotel-App bekommen könnten. Sie hätten damit die Möglichkeit, sich schon am Vorabend Zeit, Sitzplatz und ihr Lieblings-Frühstück individuell zusammenzustellen, und müssten nicht mit anderen Gästen Schöpflöffel und Wurstgabeln teilen. Im Gegenzug bekommen Hoteliers dafür neue Möglichkeiten für das Customer Relationship Management. Denn über eine solche App ließe sich schließlich auch besser mit dem Gast in Kontakt bleiben.

Ideen für Frühstückskonzepte, die nachhaltig und sicher zugleich sind, gäbe es also viele. Nur wagen müssten sie noch mehr Betriebe. 


Ideenpool

Es gibt noch nicht viele Konzepte, die das von Gästen so geschätzte Frühstücksbuffet neu denken. Zehn Anregungen, wo Hoteliers und Gastronomen ansetzen können.

 

Sortiment verkleinern

Besonders bei Brot und Semmeln, aber auch bei Wurst führt Vielfalt zu mehr Lebensmittelabfällen. Besser weniger Produkte anbieten und dafür in Qualität und Präsentation investieren – beispielsweise in eine Wurstschneidemaschine.

Abwechslung bieten

Weniger kann für Gäste auch mehr bedeuten. Etwa beim Thema Abwechslung: Wer zum Beispiel nur einige Sorten Wurst einkauft, kann dafür das Angebot häufiger wechseln. So gelingt es, dass auch beim Frühstück nie Langeweile aufkommt.

Verpackung neu denken

Lebensmittel müssen in Zukunft viel häufiger abgepackt sein. Damit das Frühstückserlebnis trotzdem sinn-lich bleibt, sind nachhaltige Materialien Pflicht. In der Kür gelingt es auch, die Verpackung zu emotionalisieren und für Botschaften zu nutzen.

Wunschteller ermöglichen

Wer auf ein traditionelles Frühstücksbuffet verzichten möchte, kann Gästen schon beim Check-in eine Liste mit Frühstücks-Optionen geben, aus denen sie ihren Frühstücksteller individuell zusammenstellen können. So lässt sich am nächsten Tag auch der Personalaufwand reduzieren.

Mit Plating begeistern

Fertig vorbereitete Frühstücksteller mit einer begrenzten Auswahl an Geschmacksrichtungen können bei cleverem Plating optisch Vielfalt vermitteln, obwohl der Wareneinsatz viel geringer ist als bei einem her-kömmlichen Frühstücksbuffet.

Frühstücksboxen packen

Vor allem für Businessgäste können Frühstücksboxen oder Sackerl zum Mitnehmen eine gute und für beide Seiten günstige Alternative zum herkömmlichen Frühstück sein. Idealerweise gibt es eine digitale Möglichkeit, sie für den nächsten Tag vorzubestellen.

Bauliche Maßnahmen

Wer nach wie vor auf ein Buffet setzt, muss sich überlegen, wie verhindert werden kann, dass die Gäste sich in die Quere kommen. Dezente Markierungen und bauliche Maßnahmen helfen, dass etwa die Laufrichtung immer eingehalten wird.

Optisch überraschen

Frühstücksbuffets sind so erfolgreich, weil sie Opulenz vermitteln. Dieser Eindruck kann aber auch dadurch entstehen, dass andere visuelle Reize gesetzt werden. Etwa durch ein Obst- und Gemüsearrangement, das der Herstellung von Smoothies dient.

Storytelling nutzen

Wenn für ein neues Frühstückskonzept mehr Personal eingesetzt werden muss, sollte es auch besser geschult sein und Hintergründe zu den Produkten vermitteln können. Durch dieses Storytelling kann Begeisterung und langfristige Bindung entstehen.

Bediener einsetzen

Bei einzelnen Stationen eines Buffets einen Bediener einzusetzen, ist natürlich ein irrer Personalaufwand, den sich nur gehobene Betriebe leisten können. Der Wareneinsatz wird dadurch aber geringer sein und die Lebensmittelverschwendung zurückgehen.


 

„Buffets sind pure Verschwendung.“

Martin Hablesreiter hat mit Sonja Stummerer ein neues FrühstücksKonzept für die Loisium Hotels entwickelt. FRISCH erklärt er, welche Rolle die richtige Inszenierung und gutes Storytelling spielen, damit Gäste dem gewohnten Überfluss am Buffet keine Träne nachweinen.

 

Es wird derzeit viel darüber geredet, dass das traditionelle Buffet heute nicht mehr zeitgemäß ist. Was hat den Anstoß für Ihr neues Konzept für die Loisium Hotels gegeben?

Corona war es jedenfalls nicht. (lacht) Wir haben mit unserer Arbeit schon begonnen, bevor die Pandemie ausgebrochen ist. Die Grundintention war, etwas gegen die Lebensmittelverschwendung durch das Frühstücksbuffet zu tun. Das Loisium hat uns bei den ersten Meetings Zahlen zu den Lebensmittelabfällen genannt, die mich wirklich fassungslos gemacht haben. Mir wurde noch klarer, dass Buffets Verschwendung pur sind.

 

Können Sie das konkretisieren?

Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass vor der Umstellung bei einem Frühstück pro Gast vier komplette Table-ware-Sets verbraucht wurden. Allein das bedeutete hohe Umweltkosten, wenn man bedenkt, wie viel Wasser und Energie allein für das Spülen solcher Mengen nötig sind. Von den weggeschmissenen Lebensmitteln will ich da noch gar nicht reden. Aber diesen Food-Waste konnten wir durch unser neues Konzept auf ein Sechstel reduzieren.

 

Wie ist das durch den neuen Ansatz gelungen?

Vor allem durch Reduktion bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität. Wir haben uns zuerst überlegt, welche Produkte auf den Tisch kommen sollen. Sie sollten vor allem biologisch, lokal produziert und saisonal sein. Jetzt gibt es statt 15 Wurstsorten nur noch drei. Dafür sind sie von höherer Qualität und werden auf einer großen Wurstschneidemaschine direkt vor dem Gast frisch heruntergeschnitten. So wird ein vordergründiger Mangel durch weniger Vielfalt voll ausgeglichen. Beim Brot ist es genauso. Ich finde die Idee, 15 Brotsorten anzubieten, von denen dann über die Hälfte weggeschmissen wird, einfach nur wirr.

 

Akzeptieren die Gäste solche Ansätze auch?

Das Loisium hat zum neuen Konzept eine Umfrage gemacht und der Rücklauf war überdurchschnittlich hoch. Einhelliger Tenor der meisten Antworten war, dass mehr Nachhaltigkeit gewünscht ist. Das ist also längst kein Thema einer elitären, städtischen Minderheit mehr, sondern bereits voll im Mainstream angekommen. Das sollten sich mehr Gastronomen bewusst machen.

 

Trotzdem sagen viele Profis, dass klassische Buffets nach wie vor extrem gut angenommen werden …

Das liegt zum Teil daran, dass Frühstücksbuffets etwas Paradiesisches an sich haben. Mich erinnert das immer an einen Harem. Spannend ist daran die fiktive Möglichkeit, mit vielen Frauen zu schlafen. Die wenigsten Männer würden das aber schaffen. Beim Buffet ist es genauso. Es geht um eine Illusion, die aber leider dazu führt, dass enorm viel verschwendet werden muss, um diesen Eindruck von Opulenz zu erzeugen.

 

Wie kann man das ändern, ohne die Gäste dabei zu verlieren?

Indem man dieses Gefühl der paradiesischen Vielfalt anders vermittelt. Wir haben für den Frühstücksbereich im Loisium beispielsweise ein sehr auffälliges Arrangement aus Obst und Gemüse entwickelt, das durch die Früchtevielfalt, seine visuelle Präsenz und Farbigkeit automatisch die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich zieht. Dahinter steht ein Mitarbeiter, der individuelle frische Säfte und Smoothies mixt. Alles, was dabei nicht verbraucht wird, kann abends durch die Küche weiterverwertet werden. Dieses zentrale Arrangement übernimmt damit eine ähnliche Funktion wie ein Bühnenbild, mit dem die Gäste in eine Stimmung hineinversetzt werden.

 

Gibt es vor solchen Stationen nicht ein irres Gedränge?

Im Gegenteil. Es ist im Frühstücksraum jetzt wesentlich ruhiger und dieses ständige Herumgewusel, das man von den klassischen Frühstücksbüffets kennt, gibt es nicht mehr. Das liegt daran, dass die sogenannten „Breakfast Essentials“ jetzt serviert werden. Man kann aus vier Frühstücks-Grundvarianten auswählen, die schon vorbereitet sind. Dazu gibt es Daily Specials wie besondere Säfte, Joghurts oder Eierspeisen, die auf Wägen präsentiert werden, mit denen das Servicepersonal von Tisch zu Tisch fährt. Auch hier spielt der optische Reiz wieder eine zentrale Rolle. Eine Inspiration dazu war übrigens das Café Tomaselli in Salzburg, wo Bedienerinnen schon immer mit Kuchen-Tabletts von Platz zu Platz gehen.

 

Das eröffnet auch die Möglichkeit, etwas zu den Produkten zu erzählen, oder?

Ja, so lassen sich Storytelling-Strategien noch besser umsetzen, weil man dem Gast etwa direkt etwas zu Produzenten, Produktqualität oder Region vermitteln kann. Deswegen ist für ein Konzept wie unseres der Service so essenziell und braucht Schulung. Er muss in der Art, wie er mit den Lebensmitteln umgeht, vermitteln, wie wertvoll sie sind. Wir müssen dazu eine völlig neue Erzählung etablieren. Ich denke, Restaurants und Hotels haben da auch einen gewissen Bildungsauftrag.

 

Zu den Personen

Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter gründeten 2003 das interdisziplinäre Designatelier Honey & Bunny in Wien. Sie sind Mitgründer der internationalen Food-Design-Szene, kuratierten die Ausstellung „food design“ für Wien, Graz und Salzburg und nahmen an zahlreichen Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen teil. Seit vielen Jahren gestalten sie Essbares, entwickeln Eat Art Performances, schreiben Bücher und filmen

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