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Euro Sake
Nach Sushi schwappt nun Japans Nationalgetränk Sake über uns herein. Endlich! Denn der Göttertrunk kann deutlich mehr, als wir bisher glauben mochten. Und ein Dutzend mutiger Idealisten beweist, dass auch Sake aus europäischen Brauereien die Erfüllung bringt.
In Amerika und Australien gehört Sake mittlerweile zum Fine Dining wie die Pommes zum Burger. Alleine in Nordamerika zählen wir heute an die 50 Sake-Brauereien, dazu kommt noch die ungeheure Menge, die aus Japan importiert wird. Mit etwas Verspätung fließt Sake nun auch in Europas Gläser. Und damit das klar ist: Sake ist weder ein Reiswein noch ein Reisschnaps. Sake ist einfach Sake, ein alkoholisches Getränk, das durch Fermentation von Reis, Wasser, Hefe und Koji-Pilzen gewonnen wird. Die Herstellung ist sehr komplex, verlangt viel Aufmerksamkeit, Konzentration und natürlich Erfahrung.
Acht Arbeitsschritte braucht es insgesamt, um feinsten Premium-Sake zu produzieren. Zuerst wird der Reis poliert, um Nährstoffe und Enzyme in der Schale des Reiskorns zu entfernen, dann gedämpft, mit Hefe und Koji versetzt zur Gärung gebracht und schließlich gepresst und zum Reifen gelagert. Japaner unterteilen Premium-Sake in sechs unterschiedliche Qualitätsklassen, je nach Poliergrad der Reiskörner und optionaler Zugabe von Braualkohol, um einzelne Aromen und Geschmackskomponenten herauszulösen. Interessierten sei an dieser Stelle eine Verkostung mit einem ausgebildeten Sake-Sommelier empfohlen. Aber auch ohne professionelle Erklärungen schmeckt Sake ganz wunderbar, taugt er mit seinen milden 14 – 17 % Alkoholgehalt doch ganz unkompliziert als Aperitivo, als Essensbegleiter und auch als trendige Cocktail-Alternative.
Große Geschichte
Im Land der aufgehenden Sonne ist Sake nicht bloß ein Nationalgetränk, er ist quasi ein Nationalheiligtum. Bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. reicht seine Geschichte zurück. Zunächst als Opfergabe, um den wilden Geist der Naturgötter zu besänftigen, später als Lieblingsgetränk der Adeligen am kaiserlichen Hof. Im Laufe der Jahrhunderte übertrug der Hof die Produktion den Klöstern und besteuerte sie, damit wurde der mittlerweile auch von Fischern, Handwerkern und Bauern geliebte Sake zum lohnenden Geschäft. Noch im späten 18. Jahrhundert waren die Steuern auf Sake eine der größten Einnahmequellen der Regierung. Erst in der Neuzeit verlor er an Bedeutung, und oftmals auch an Geschmack. Industrialisierung, Massenproduktion und Profitgier haben dem japanischen Göttertrunk zugesetzt, doch seit zwei Jahrzehnten besinnt sich eine neue Generation an Braumeistern der alten handwerklichen Tradition. Qualität geht jetzt wieder deutlich vor Quantität in den vielen, oft seit dem 17. Jahrhundert bestehenden und in Familienbesitz befindlichen Sake-Brauereien. Und mit ihren innovativen, ja teils schrägen Ideen haben die jungen Braumeister den Sake-Hype so richtig ins Rollen gebracht.
Mission possible
Tom und Lucy Wilson aus Peckham, einem südlichen Stadtteil von London, lernten Premium-Sake vor vielen Jahren auf einer Reise nach Japan kennen. „Wir saßen in einer Izakaya in Kyoto und der Barmann, stilecht mit Fliege, hat uns Sake empfohlen. Also haben wir probiert und waren sofort begeistert. Das war ein richtig langer Abend“, lacht Tom Wilson. Zurück in London reifte der Gedanke, es selbst mit dem Sakebrauen zu versuchen. Nach Jahren des Experimentierens und Verkostens eröffneten sie 2017 dank Crowdfunding ihre Mikrobrauerei. „Zuerst waren wir ja Autodidakten, aber dann haben wir unsere Fähigkeiten an einer Brauereischule in Japan verfeinert“, sagt Tom. „Seitdem geht das Ding durch die Decke“ ergänzt Lucy Wilson.
Mit den Jahren haben die beiden gemerkt, welche großen geschmacklichen Unterschiede sich durch ganz minimale Änderungen im Produktionsprozess ergeben, etwa durch unterschiedliche Reis- und Koji-Sorten oder den Zusatz von Kräutern und Früchten. Das hat neben den klassischen und vielfach preisgekrönten Premium-Sakes der Wilsons eine saisonal limitierte Craft-Sake-Linie entstehen lassen. Dafür wird der Sake beispielsweise mit japanischem Miso und britischem Honig angereichert, oder mit japanischen Wasabi-Blättern und britischen Äpfeln. „Diese Craft-Sakes haben nicht mehr Alkohol als ein gewöhnliches Lager-Bier und sind extrem erfrischend“, erklärt Lucy den Hype um ihre Kreationen in der Londoner Szenegastronomie. Besonders stolz ist das Paar auch auf seinen britischen Pflaumensake namens Hana, der japanische Begriff für Blume, eine ideale Komponente für außergewöhnliche Cocktails. „Damit wollen wir in London eine Sake-Revolution auslösen“, sagen Tom und Lucy Wilson.
„Wir verwenden ganz bewusst regionale heimische Zutaten.“(Stefan Sigl, Alpin Sake, St. Georgen bei Salzburg)
Jung und wild
Der Ruf nach einer Sake-Revolution stößt auch in Paris auf offene Ohren. Takuma Inagawa, gebürtiger Japaner, lebte während seines Technologiestudiums für zwei Jahre in der französischen Hauptstadt. „In dieser Zeit war es hier praktisch unmöglich, richtig guten Sake zu bekommen. Also begann ich, selbst damit zu experimentieren“, erzählt Inagawa. Zurück in Tokio ließ er sich von einem renommierten Großmeister in die Kunst des Sakebrauens einführen und gründete 2016 die Wakaze Sake Brauerei. 2019 folgte der zweite Standort, natürlich in Paris. „Der Begriff Wakaze bedeutet auf Deutsch so viel wie junge Sake-Brauer, und genau das sind wir hier“, erklärt Inagawa. „Wir produzieren Craft-Sake, mit eigenen Ideen, mit Kreativität und mit einer kräftigen Portion Abenteuer.“
Aus Japan hat Inagawa das Wissen um die traditionelle Herstellung des Sake, in Frankreich hat er das Bewusstsein für regionale und natürliche Zutaten entwickelt, um seinen Sake dadurch auf einen noch höheren Level zu heben. „Unser Wakaze-Sake repräsentiert die perfekte Fusion japanischer und französischer Kultur“, sagt er. Zur Verwendung kommt Japonica-Reis aus der Camargue, seinen Premium-Sake lässt er in gebrauchten Pinot-Noir-Fässern aus Burgund reifen, oder er reichert ihn mit Menton-Zitronen und Verbene an. „Für unseren Rosé-Sake arbeiten wir mit schwarzem Reis, der verleiht ihm ein angenehm zartes Nussaroma“, unterstreicht Inagawa die Experimentierfreudigkeit seines Teams. Apropos Experiment: Im Sommer expandierte Wakaze Sake auch nach Amerika und Asien, und kürzlich eröffnete Inagawa in Paris das Wakaze Izakaya Restaurant, in dem der Sake vom Fass gezapft wird und das Küchenkonzept generell auf Fermentation ausgerichtet ist. So können auch wertvolle Nebenprodukte der Sake-Produktion, wie der Presskuchen, sinnvoll verwertet werden.
Traditionsprodukte
Wer Traditionen erhalten möchte, muss sowieso zu Experimenten bereit sein, ist Nicola Coppe überzeugt. Dieser Gedanke brachte ihn auch auf die Idee, Carnaroli-Reis aus Pavia, Italiens traditionellem Reisanbaugebiet, für die Sake-Produktion seines 2019 gegründeten Start-ups Riso Sake zu verwenden. „Carnaroli-Reis ist sehr geschmacksintensiv und hat viel Stärke, die in der Fermentation in Zucker umgewandelt wird und zur Gärung gelangt. Es braucht viel Fingerspitzengefühl und Know-how, um diesen Prozess so zu steuern, dass am Ende ein wunderbar harmonischer Sake entsteht, dessen Geschmack nicht zwingend vom Carnaroli dominiert wird“, erklärt Coppe, der als Experte für Braumikrobiologie naturgemäß eine große Leidenschaft für Hefe, Bakterien, Koji-Pilze und Fermentation entwickelt hat.
Im norditalienischen Feltre liegt das kleine Riso Sake-Labor, wie Coppe seine Mikrobrauerei liebevoll nennt. Hier arbeitet er ständig an der Entwicklung neuer Sake-Experimente. „Unsere Sake-Variationen sind sehr unterschiedlich“, so Nicola Coppe, „wir wollen jedem Riso Sake seine individuelle und unverkennbare Note geben.“ Der REAL ist der ganz klassische Sake, komplex am Gaumen mit einer nachhaltigen Carnaroli-Note. Er wird zu Fisch- und Fleischgerichten sowie zu deftigen Braten empfohlen. MÖVAT heißt der Sparkling-Sake im Sortiment, er gärt nach der klassischen Sektmethode in der Flasche und zeichnet sich durch seine intensive Farbe und sein Aroma aus. Bevorzugt wird er zu Pizza, Gerichten mit sauren Noten sowie zu Mürbteig- und cremigen Desserts getrunken. Experimenteller wird es bei den beiden Varianten HOPe und HARMONIAE. Der eine ist ein Sake mit einer typischen Hopfennote durch die Verwendung amerikanischer Bierhefe, der zweite ist geprägt von den Noten der Hefe Nr. 9, schmeckt zuerst nach klassischem Sake und überrascht im zweiten Moment mit dem deutlichen Aroma des Carnaroli-Reises.
„Wir produzieren Craft-Sake, mit Ideen, Kreativität und einer Portion Abenteuer.“(Takuma INagawa, Wakaze Sake, Paris)
Ganz Wien
Carnaroli-Reis für die Sake-Produktion zu verwenden, ist für Matthias Schweger und Michael Bezwoda von Sake.Wien hingegen ein No-go. Sie verwenden nur biologischen Arborio-Reis, wie der Carnaroli ein klassischer Risotto-Reis. „Während der Carnaroli in seinen Aromen an Pilze, Waldboden und Nadelholz erinnert, hat der Arborio Fruchtnoten von Birne und Litschi. Für uns war daher von Beginn an klar, dass dies der Weg ist, den wir gehen wollen“, sagt Mathias Schweger. Sein persönlicher Weg zur Sake-Produktion ist ein langer und verschlungener. Von der ersten Premium-Sake-Verkostung in den 1990er Jahren in Los Angeles über eine Sake-Sommelier-Ausbildung bis zur Brau-Schulung an der angesehenen Yasutaka Daimon Sake-Brauerei in Japan kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie. „Und jetzt ist es so weit, wir produzieren unseren eigenen Sake“, lacht Schweger, der nebenbei auch als TV-Regisseur und Musikproduzent tätig ist.
Handwerklich arbeitet das Team von Sake.Wien so traditionell wie die Altmeister Japans. Dennoch ist ihr Sake, wie Schweger meint, eine sehr europäische Interpretation, vollmundiger und näher am Weißwein als das japanische Original. „Das liegt natürlich an den Zutaten, unser Arborio wird beispielsweise mit einem Poliergrad von 90 % geliefert, dadurch schmeckt das Reiskorn anders, als wenn die komplette Schale weggeputzt wurde. Für Japaner ist das unannehmbar, für uns aber genau richtig.“ Um die fruchtige Note ihres Sake zu verstärken, stoppt Schweger die Gärung immer wieder mittels Temperatursteuerung. So gärt der Koji-Reis nicht so schnell durch und der Reisgeschmack tritt in den Hintergrund. Aktuell steht die erste Abfüllung zum Verkauf, und sogar der mit drei Michelin-Sternen dekorierte Chef Juan Amador schwärmt vom Arborio Junmai Namagenshu #1 aus Wien als Inspirationsquelle für die eigene Kreativität und perfekte Speisenbegleitung.
Total regional
Ein paar hundert Kilometer weiter westlich im Salzburger Alpenvorland wird auch Sake gebraut. Stefan Sigl und Lukas Sorger produzieren hier in St. Georgen bei Salzburg in ihrer kleinen Brauerei den Alpin-Sake, also eine vorsätzlich österreichisch-europäische Version des japanischen Getränks. „Im Maaemo in Oslo haben wir sehr viel mit Fermentation experimentiert, um neue Geschmacksnuancen zu kreieren“, erzählt der junge Spitzenkoch Stefan Sigl aus seinen Lehrjahren. „Seither beschäftige ich mich intensiv mit diesem Thema und habe 2018 den allerersten eigenen Sake hergestellt.“ Handwerklich orientieren sich die beiden Jungköche und Sake-Brauer an der großen japanischen Tradition, doch geschmacklich wollen sie ganz bewusst eigene Wege gehen.
„Uns war von Beginn an klar, dass unser Sake niemals so schmecken wird wie bester japanischer Sake. Also haben wir aus der Not eine Tugend gemacht. Wir verwenden ganz bewusst regionale Zutaten und wollen unseren Alpin-Sake auch mehr als Lifestyle-Getränk positionieren“, so Stefan Sigl. Der Reis mit einem Poliergrad von 60 % stammt aus Niederösterreich und der Steiermark, wo er auf den Feldern im Trockenanbauverfahren wächst und gedeiht. Die Koji-Sporen lässt sich Sigl direkt aus Japan schicken und züchtet sie im Gärschrank selbst zu Pilzen heran. Auf Hefe wird verzichtet, ähnlich der Naturweinproduktion setzen die Alpin-Sake-Braumeister auf Spontangärung. „So nimmt man weniger Einfluss auf das Produkt, wodurch der Sake am Ende einen geringeren Alkoholgehalt hat als üblich“, so Stefan Sigl. Gebraut wird natürlich klassischer Junmai-Sake, bekannt sind die beiden aber vor allem für ihre süffigen Sake-Kreationen mit Shiso, Marille und Kalamansi. „Die Aromaträger werden bereits in die Maische eingearbeitet, das ist ganz wichtig für den Geschmack“, so Sigl, der in Zukunft auch mit Sake aus Eichenfässern experimentieren wird. Was 2018 mit rund 60 Litern begann, ist mittlerweile auf eine Produktion mit mehr als 2.000 Litern pro Jahr angewachsen, Tendenz weiter stark steigend.
Es ist also zu erwarten, dass sich in den nächsten Monaten noch mehr Enthusiasten in Europa mit ihren Mikrobrauereien an die Produktion von Sake wagen. Denn der japanische Göttertrunk ist definitiv auch bei uns zur Salonfähigkeit gereift und hat sich gerade in der gehobenen Gastronomie vom Exoten zum absoluten Must-have entwickelt.
„Wir setzen auf Arborio-Reis mit fruchtnoten von Birne und Litschi.“(Matthias Schweger, sake.wien, Wien)
Alpin sake
Salzburg
Auch die österreichische Sake-
Variante von Stefan Sigl und Lukas Sorger mischt die Aperitivo-Szene auf. Mit geringem Alkoholgehalt und fruchtigen Aromen hat sich der Alpin Sake bereits eine ansehnliche Fanbase aufgebaut, vor allem in der jüngeren Zielgruppe. Und mit dem klassischen Junmai Sake wildert das Duo jetzt auch im gehobenen Premium-Sake-Segment. Eine alpine Erfolgsstory zum Genießen.
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Kanpai
London
London ist traditionell ein gutes Pflaster für neue kulinarische Trends. Die vielen Szenelokale mit ihrem bunten Publikum sind immer dankbar für neue Impulse. Solche bieten Tom und Lucy Wilson mit ihrer Kanpai Brauerei im Süden der Hauptstadt – vielfach ausgezeichneten Premium-Sake, dazu einige Lifestyle-Varianten in der praktischen Dose mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und obendrein einen hippen Verkostungsraum. So great!
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Wakaze
Paris
Spätestens seit dem Kinofilm „Monsieur Claude und seine Töchter“ weiß die ganze Welt, dass Frankreichs junge Generation viel weltoffener ist, als man glauben mag. Das erklärt auch, warum der gebürtige Japaner Takuma Inagawa mit seiner Wakaze Brauerei in
Paris so erfolgreich ist. Die Franzosen lieben seine Fusion aus japanischer Handwerks-
tradition und französischer Kultur, wie Premium-Sake aus Pinot-Noir-Fässern.
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Sake.wien
Wien
In der kleinen Sake-Brauerei im 3. Wiener Gemeindebezirk ist nichts dem Zufall überlassen. Mastermind Matthias Schweger hat sich 20 Jahre lang auf den Schritt zum Sake-Braumeister vorbereitet und sogar Kessel in einer japanischen Traditionsbrauerei abgemessen und nachbauen lassen, um perfekten Sake brauen zu können. Das Ergebnis gibt ihm recht, Sake.Wien zählt zweifelsfrei zu den Topadressen für Premium-Sake aus Europa.
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Go-Sake
Berlin
Das Berliner Start-up kooperiert mit einigen persönlich ausgewählten kleinen Brauereien in Japan. Deren handgefertigten Sake importiert Go-Sake nach Deutschland. Durch eine handliche Flaschengröße von 180 Milliliter sollen besonders Sake-Anfänger die Chance erhalten, hochwertige japanische premium Sakes für einen relativ kleinen Preis kennenzulernen. Mittlerweile gibt es auch andere Mischgetränke, etwa mit einem eigenen Tonic.
Interview
„Unser Sake erinnert eher an Weißwein.“
Matthias Schweger ist TV-Regisseur, Autor, Produzent und Mitbegründer des Musikvideo-Kanals Viva – und jetzt auch Braumeister und Inhaber seiner eigenen Sake-brauerei in Wien. Im Interview erzählt er über Anfänge, Schwierigkeiten und Glücksmomente.
Wann begann Ihre Liebe zum Sake?
Ich war in den 90er Jahren beruflich in Los Angeles unterwegs und wir gingen in ein japanisches Restaurant. Da standen hunderte verschiedene Sake-Flaschen hinter der Theke und ich fragte den Kellner spaßhalber, ob die ausgeschenkt werden oder nur zur Dekoration dienen. Fünf Minuten später hatte ich den ersten wahren Premium-Sake meines Lebens getrunken, bis dahin kannte ich ja nur die lauwarm servierten Sake beim Japaner in Wien, wenn du die Rechnung verlangst. Dieses Erlebnis war der Turning Point, von da an habe ich die Entwicklung des Sake-Trends sehr aufmerksam verfolgt und wo auch immer möglich guten Sake getrunken.
Wie wurden Sie zum Sake-Braumeister?
Da war ein bisschen Glück dabei. Ich hatte in Berlin eine Ausbildung zum Sake-Sommelier absolviert und gerade meine ersten eigenen Brauversuche zuhause in der Badewanne hinter mir. Der Plan von der eigenen Brauerei war bereits sehr konkret, da erreichte mich ein Newsletter einer amerikanischen Sake-Plattform mit dem Aufruf, sich für einen der letzten Plätze für einen Braumeisterkurs in der legendären Daimon-Sake-Brauerei in Japan anmelden zu können. Nach einigen Telefonaten und einem Brief an die Brauerei, warum ich als Österreicher genau zu diesem Zeitpunkt diesen eigentlich für Amerikaner gedachten Ausbildungsplatz so dringend benötige, habe ich tatsächlich das Go bekommen und in Japan in der Brauerei vom großen Braumeister Yasutaka Daimon persönlich gelernt. Bis heute unterstützt er uns aktiv mit seinem Wissen und wir können uns jederzeit mit Fragen an ihn wenden.
Produzieren Sie Ihren Sake genau so, wie Sie es in Japan erlernt haben?
Handwerklich auf alle Fälle, da arbeiten wir supertraditionell. Aber geschmacklich besteht doch ein klarer Unterschied. Da sind die Geschmackswelten der Japaner und Europäer einfach zu weit auseinander. Wir verwenden italienischen Bio-Reis. Das ist jedenfalls geschmacklich ein enormer Unterschied. Auch die Wasserqualität ist eine andere. Unser Ziel ist es, einen Sake herzustellen, der sehr nahe an den japanischen herankommt, aber dem europäischen Gaumen mundet, also vollmundiger ist, mit mehr Säure, und eher an einen Weißwein erinnert.
Sie haben sich für die Produktion eigene Geräte fertigen lassen?
Ja, ich wollte auf Nummer sicher gehen und keine Fehler machen. So habe ich zunächst Kontakt zu Kjetil Jikiun aufgenommen, der bereits 2009 in Norwegen die erste europäische Sake-Brauerei gegründet hat. Er hat mir viele wichtige Tipps gegeben. Und ich habe den Dämpfer der Daimon-Brauerei in Japan abgemessen, um mir in China eine viermal kleinere Version nachbauen zu lassen. Auch eine eigene Reispoliermaschine habe ich bestellt, aber bald einsehen müssen, dass die für unsere Mengen nicht taugt. Daher verwenden wir den Reis so, wie er geliefert wird, mit einem Poliergrad von 90 %, und wir sind damit total zufrieden.
Welche Sake-Pläne haben Sie für die Zukunft?
Wir werden uns in den nächsten Jahren einerseits auf unseren klassischen Junmai-Sake konzentrieren, also Premium-Sake ohne zugesetzten Braualkohol, und andererseits wollen wir uns ein wenig austoben und experimentieren. Da haben wir schon Pläne in der Schublade, aber noch will ich nicht zu viel verraten.
MATTHIAS SCHWEGER
Matthias Schweger begann in den 80ern als Moderator der Jugendsendung Okay im ORF und arbeitete später auch bei Ö3. Mit Musikprojekten wie Edelweiß und den Bingoboys war er international erfolgreich und parallel an der Gründung des Musikkanals VIVA beteiligt. Im Jänner 2022 gründete er schließlich Sake.Wien und braut seither im dritten Bezirk Junmai-Sake.