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Effekt D'azur

Wie so viele Orte an der Côte d’Azur lebt Nizza vom in zig blautönen schimmernden Mittelmeer. Seine Schönheit und das lässige Leben auf Boulevards und Gassen locken jedes Jahr abertausende gäste in die großstadt. Der Ideale Nährboden für eine spannende Gastroszene zwischen traditioneller Cuisine Nissarde und den Konzepten junger GastroERneuerer.

Terroir und Tourismus – zwischen diesen beiden Polen schwingen sich Nizzas Gastronomen schon seit dem 19. Jahrhundert zu immer neuen Höhenflügen auf. Denn die Stadt im Südosten Frankreichs war dank ihrem besonders milden Mittelmeerklima nicht nur prädestiniert für den Obst- und Gemüseanbau. Sie wurde auch eine der ersten Touristenhochburgen weltweit. Schon ab dem frühen 19. Jahrhundert zog es reiche Engländer und Russen speziell im Winter an die Côte d'Azur. Das im Stil der Belle Époque erbaute Hotel Negresco auf der Promenade des Anglais (!) zeugt heute noch davon. Es hat nichts von seinem Glanz eingebüßt und lockt mit gediegenem Glamour und gleich zwei Sternerestaurants.

Bespielt werden Le Chantecler und La Rotonde von Chefköchin Virginie Basselot. Sie setzt dabei voll auf die Produkte der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur, um ihren Gästen ein zufriedenes Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Dank stadtnahem Flughafen können sie heute sogar für ein kurzes Genuss-Wochenende einfliegen, um sich den Geschmack der Provence auf die Zunge zu holen: „Ich bin in der Normandie geboren und habe dann lange in der Pariser Spitzenhotellerie gearbeitet. Anfangs brauchte ich deshalb etwas Zeit, um die regionalen Produkte, die lokale Küche und ihre Geschichte kennenzulernen“, erzählt die erste weibliche Meilleur Ouvrier de France über ihre Anfänge im Negresco. Dann erklärt sie freimütig: „Mit Mangold habe ich vor meinem Engagement hier zum Beispiel noch nie gearbeitet und auch nicht mit Kichererbsen. Jetzt versuche ich diese herrlich einfachen Produkte aus dem Hinterland von Nizza zu sublimieren und in meine Gerichte einzubauen. Außerdem bin ich konstant auf der Suche nach neuen, kleinen Produzenten.“

Garten Eden Var-tal

Das lohnt sich. Denn die Lage Nizzas zwischen azurblauem Meerglitzern und scharfkantigem Mercantour-Massiv hat nicht nur Künstler wie Henri Matisse oder Marc Chagall inspiriert. Mit dem Var-Tal im Westen gibt es auch ein Gemüseanbaugebiet der Sonderklasse direkt vor den Toren, wo Tomaten, Auberginen und die berühmten Courgette (Zucchini) gedeihen. Sogar erstklassiger Wein wächst nur 15 Minuten Autofahrt oberhalb der Strandpromenade rund ums Örtchen Bellet.

Die direkte Umgebung der fünftgrößten Metropolregion Frankreichs mit fast einer Million Einwohnern ist damit eine natürliche Schatzkammer, aus der sich Nizzas Köche jeden Morgen bedienen können. Etwa am Stand von Françoise und Jacqueline Risso am breiten Cours Saleya, wo seit 1861 am ersten Bauernmarkt Nizzas ab sechs Uhr Obst und Gemüse feilgeboten werden. Schon die Eltern der beiden Schwestern zogen auf zwei Parzellen in Saint-Jeannet und in Saint-Laurent du Var Gemüse. Ihr Standl gibt es an gleicher Stelle deshalb schon seit über 40 Jahren. Heute ist es die erste Anlaufstelle für Topköche wie Dominique Le Stanc, der gern von seinem sehr authentischen La Merenda herüberradelt, Florencia Montes vom Onice oder eben Viriginie Basselot. Sie kaufen dort zwar gerne auch Mangold, Auberginen, Zwiebeln, Bohnen oder Paprika. Berühmt sind die Risso-Schwestern aber für ihre „Rita“, eine eigene Ochsenherztomaten-Züchtung, die sie nach ihrer Mutter benannt haben. Festes Fleisch, wenig Samen, kaum Säure, dafür viel saftige Süße: Ein Produkt, das Köche einfach inspirieren muss. Virginie Basselot macht daraus ein leichtes Sommergericht, das sie sogar nach den Schwestern benannt hat. Dafür lässt sie Tomatenscheiben mit einem Schuss Olivenöl nur kurz in der Pfanne Farbe annehmen, um sie dann auf einem Kompott auf Basis von Muskovado-Zucker und den Tomatenabschnitten anzurichten. Darauf träufelt sie noch eine Mischung aus Olivenöl, schwarzem Knoblauch und schwarzer Zitrone. Getoppt wird schließlich mit einer Nocke aus leicht scharfem Kirschtomatensorbet. Dazu reicht der livrierte Service noch warme Focaccia-Scheiben. Herrlich.

„NIZZA IST EINE DER WENIGEN STÄDTE IN FRANKREICH MIT EINER EIGENSTÄNDIGEN KÜCHE.“ (VIRGINIE ACCHIARDO, KÖCHIN & MITBESITZERIN, DA ACCHIARDO, NIZZA)

Stadtsnack Socca

Dass die Produkte der Côte d'Azur so großes Kochhandwerk nicht unbedingt nötig haben, beweist ein anderer Stand am Cours Saleya. Bei Chez Theresa gibt es angeblich die besten Socca, einen typischen Snack, den man in Nizza an jeder Straßenecke direkt auf die Hand bekommt. Er wird aus Kichererbsenmehl hergestellt, das mit Wasser, Olivenöl und einer Prise Salz einen recht flüssigen Basisteig ergibt. Der wird in eine brennheiße, runde Metallform mit 70 Zentimeter Durchmesser gegossen und dann für 10 Minuten in den Ofen geschoben. Das Ergebnis ist eine Art Pfannkuchen mit Knusper-Kruste und fluffig weichem Kern. „Das mag sehr einfach klingen“, meint dazu Sophie Budoia, die aktuelle Besitzerin des zum Stand gehörenden Restaurants: „Aber es ist wirklich schwierig es perfekt hinzubekommen.“ Ein wesentlicher Faktor dabei: der riesige Holzofen von 1870, der im Restaurant der Budoias in der Rue Droite in den engen Gassen des Vieux Nice steht. „Am schwierigsten ist, das Holzfeuer so im Griff zu haben, dass die Temperatur genau passt“, erklärt dazu Budoias Mann Jean-Luc: „Außerdem spielt das verwendete Holz eine große Rolle. Wir nehmen eine Kombination aus Buche und Hainbuche.“

Jean-Luc Budoias Socca ist nur ein Beispiel für die viele Jahrhunderte zurückreichende, eigenständige Küchentradition in Nizza. Bei Chez Theresa gibt es auch „Pissaladière“, eine Art Zwiebelpizza mit Sardellen, „Pan Bagnat“, ein Sandwich, in das die gleichen Zutaten wie für den berühmten Salade Niçoise wandern oder „Tourte aux Blettes“, eine süße Mangold-Torte.

Wer noch tiefer in die Gerichte der Cuisine Nissarde eintauchen möchte, geht aber am besten ein paar Häuser weiter zu Virginie Acchiardo in ihr Restaurant Da Acchiardo. „Nizza ist eine der ganz wenigen Städte in Frankreich mit einer eigenständigen Küchentradition“, erklärt sie stolz. Sogar ein eigenes Label hat man dafür 1998 eingeführt, das nur ausgewählte Betriebe tragen dürfen: „Die Regeln dafür sind streng, weil es darum geht, die Cuisine Nissarde in ihrer Ursrpünglichkeit zu bewahren“, unterstreicht die Küchenchefin. Wie ernst ihr und ihren Brüdern dieses Anliegen ist, zeigt, dass auf der Karte des Da Acchiardo seit 1927 die gleichen Gerichte stehen. „Genau das macht uns aus, weil unser Lokal in der vierten Generation in Familienbesitz ist. Die Rezepte habe ich von meiner Mutter, Großmutter und Urgroßmutter überliefert bekommen. Da steckt viel Herz und Geschichte drin – das schmecken unsere Gäste“, erklärt sie den Grund. Ein Beispiel sind die „Merda de Can“. Dafür kocht Acchiardo simple, sogar ungerillte Kartoffel-Gnocchi, in die fein geschnittener, grüner Mangold eingearbeitet wird, eine der Hauptzutaten in den authentischen Küchen Nizzas. Serviert wird dann mit Butter und Parmesan. Fertig. Wer sich jetzt an Italien erinnert fühlt, liegt genau richtig. Nur 30 Kilometer entfernt verläuft die Grenze zum kulinarisch nicht weniger versierten Nachbarn. Einwanderer wie Giuseppe und Madeline Acchiardo haben die Gerichte der Stadt deshalb genauso geprägt wie die speziellen Produkte ihrer teils unwirtlichen Umgebung. „Unsere Küche ist reich und arm zugleich“, versucht sich Virginie Acchiardo an einer Definition: „Reich, weil es etwa 120 eigenständige Rezepte gibt. Arm, weil Trockenheit und karge Böden hier nur für relativ wenige Produkte perfekt sind und wir mit dieser kleinen Auswahl so köstliche Gerichte zaubern.“ 

Altes Viertel, Neue Konzepte

Diese Reich-Arm-Analogie trifft auf gewisse Art auch auf Nizza selbst zu. Einerseits liegen das Fürstentum Monaco, Cannes oder St. Tropez mit ihrer irren Dichte an hyperreichen Bewohnern und Sommergästen direkt um die Ecke – im stadteigenen Hafen Port Lympia wird das mehr als augenfällig, wo dutzende Megayachten vor sich hindümpeln. Andererseits ist die Großstadt auch ein sozialer Brennpunkt mit hoher Arbeitslosigkeit und vielen Sozialwohnungen außerhalb des Stadtkerns. Genau diese Gegensätzlichkeit ist jedoch einer der Gründe dafür, warum sich in den letzten Jahren eine junge, sehr innovative Gastroszene entwickeln konnte. Sie findet in Nizza eine ideale Mischung aus urbanem Umfeld, kaufkraftstarken Gästen und noch halbwegs leistbaren Lokalen. Das gilt vor allem für die Gegend rund um den Hafen, etwas abseits der überlaufenen Innenstadt, wo es derzeit gleich mehrere spannende Fine-Dining-Konzepte gibt. Einer der ersten, der sich dort angesiedelt hat, war der Südafrikaner Jan Hendrik van der Westhuizen mit seinem JAN. Nachdem er ein Jahr als Koch auf den sündhaft teuren Yachten in Monaco gearbeitet hatte, eröffnete er 2013 in einer alten Garage auf der Rue Lascaris sein erstes Restaurant. Dort serviert er nun ein spannendes Menü, das die so süß-säuerlichen wie scharfen Aromen seiner Heimat mit französischen Produkten und Küchentechniken vermählt.

Nur zwei Minuten Fußweg entfernt, auf der anderen Seite des gleichen Häuserblocks haben sich 2018 auch Les Agitateurs mit ihrem Lokal angesiedelt. Die „Aufwiegler“ wie man den Namen der kleinen Restaurantgruppe übersetzen kann, haben seither schon viel erreicht. Denn nachdem sich Samuel Victori und Juliette Busetto im Institut Paul Bocuse in Lyon kennengelernt haben, hatten sie mit der Maison Troisgros und dem Pariser Bristol nicht nur die gleichen Karrierestationen. Es geht für das eingeschworene Team auch immer weiter bergauf. Neben ihrem Einsterner in der Rue Bonaparte betreiben sie nämlich mittlerweile mit dem Pirouette gleich nebenan auch noch ein Neo-Bistro. Außerdem haben die beiden gerade das Restaurant Sous les Pins neu übernommen, das sich direkt in der berühmten Kunststiftung Maeght etwas außerhalb der Stadt befindet. Juliette Busetto sieht den Erfolg von Les Agitateurs durchaus als Teil eines größeren Aufschwungs in Nizzas Gastronomie: „In den letzten sechs Jahren hat sich hier enorm viel entwickelt. Es wurde eine ganz neue Welle Gastronomen nach oben gespült, die jetzt völlig andere und sehr relevante Gastrokonzepte in die Stadt bringen“, erzählt sie.  

Einer der jüngsten Neuzugänge ist das Onice, das sich ebenfalls im Viertel rund um den Hafen angesiedelt hat. Gesäumt von Antiquitäten-Geschäften haben der Italiener Lorenzo Ragni and die aus Argentinien stammende Florencia Montes dort innerhalb nur eines Jahres einen Stern erkocht. Eigentlich kein Wunder, haben doch beide schon viele Stationen in der internationalen Sternegastronomie hinter sich. Das Chila in Buenos Aires genauso wie das Eleven Madison Park in New York, das Ledbury in London oder das Faviken in Schweden. Die prägendste Zeit für beide waren aber wohl die Jahre im Mirazur des Argentiniers Mauro Colagreco gleich ums Eck im Örtchen Menton. Florencia Montes wurde dort sogar just 2019 Küchenchefin, als das Restaurant mit seinem dritten Stern ausgezeichnet und zum besten Restaurant der Welt gewählt wurde. In ihrem eigenen Lokal erkennen aufmerksame Gäste nun deshalb die Liebe zu vegetarischen Produkten, die Akribie in der Gerichtentwicklung und den Mut zu ungewöhnlichen Aromenkombinationen. Beispiel gefällig? Zu den Gamberoni aus San Remo werden Kirschen, Tomaten und frische Mandeln angerichtet, ein Potpourri herrlicher mediterraner Muscheln bekommt Pfifferlinge und Zucchini als kongeniale Partner und buttrige Coco-de-Nice-Bohnen begleiten Muscheln aus der Tamaris-Bucht, die mit einer Sauce aus dem indisch-französischen Zwitter-Gewürz Vadouvan angegossen werden.

„SPEZIELL DIE JUNGE NATURWEINSZENE IST AKTUELL SEHR SPANNEND UND EXTREM DYNAMISCH.“VANESSA MASSÉ, SOMMELIÉRE & BETREIBERIN, PURE V, NIZZA

Konzepte im Überfluss

Onice und Les Agitateurs allein wären also schon den zweistündigen Flug aus Österreich und Deutschland wert. Doch es gibt sogar noch wesentlich mehr zu entdecken. Die hippe Fischbar Peixes bei der Oper etwa, die südamerikanische Zubereitungsarten auf den tagesfrischen Fang südfranzösischer Fischer treffen lässt. Oder das Racines von Altmeister Bruno Cirino, der mit seiner rein vegetarischen Küche letztes Jahr einen Stern erkocht hat. Schließlich das Pure V von Sommelière Vanessa Massé mit seinen extrem spannenden Naturwein-Begleitungen.

Ausklingen lassen Gastroreisende einen Nizza-Aufenthalt dann am besten bei einem Glas Bellet-Rosé mit Blick aufs Meer in der Szene-Bar Babel Babel. „Unglaublich, wie viele verschiedene Schattierungen ein einziger Blauton haben kann!“, denkt man sich bei diesem Anblick unweigerlich. Und nach dem nächsten Schluck: In Nizza kann man das sogar schmecken!

Babel Babel

Eine Ode an Azurblau

Ein feuchter Traum für Genussmenschen ist nicht nur der Blick vom Balkon des Babel Babel auf die ineinanderfließenden Blautöne des Mittelmeers. Auch was der hippe Service hier zu beschwingter Musik auf den schmalen Marmortresen stellt, hat’s in sich. Denn wie im alttestamentlichen Babel bedient sich die Küche im Bauch der Lokalität am reichen Schatz der Gerichte der gesamten Mittelmeerküste: Polenta trifft auf cremigen Hummus, zu spannenden Natureweinen gibt’s Borek und geröstete Auberginen mit Tahini oder fangfrischer Oktopus mit Zitrone und Knoblauch-Konfit lassen die Geschmacksknospen Jitterbug tanzen. Mittags gibt’s als Dreingabe noch den „Laffa Club“ mit israelischem Streetfood und sonntags einen angesagten Brunch, mit Pfannkuchen, Eggs Benedict und allem Pipapo.

Le Canon

Naturweinpionier

Erfrischend einfach ist die Einrichtung des Le Canon in der Rue Meyerbeer nur zwei Häuserblocks vom Strand entfernt. Das Lokal mit seinen schlichten viereckigen Resopal-Tischchen aber einfach Weinstube zu nennen, wäre dann doch vermessen. Denn Sommelier Sébastien Perinetti serviert hier ausschließlich Naturweine der Extraklasse, zu denen er seine Gäste so unprätentiös wie hervorragend berät. Die Gerichte, die Küchenchef Elmahdi Mobarik als Begleitung zaubert, sind klar, geschmacklich genial und mit tagesfrischen lokalen Produkten zubereitet. Herrliches Tomaten-Gazpacho zum Beispiel oder weißer Pfirsich mit Tomme-Schafmilchkäse und natürlich eines der besten Gemüse-Ratatouilles der Gegend, das hier mit schwarzem Reis serviert wird. Unter Naturweinfans ist das Le Canon deshalb längst kein Geheimtipp mehr.

Racines

Vegetarisch, was sonst?!

Eigentlich verwunderlich, dass das Racines das einzige rein vegetarische Sternerestaurant in Nizza ist. In kaum einer anderen Stadt Frankreichs bekommen Köche so gutes und frisches Gemüse wie hier. Bruno Cirino und seine rechte Hand José Vidal erschaffen daraus in ihrem Mini-Lokal ein Menü, das nicht nur preislich überrascht. Dafür verwenden sie Produkte auf ihrem geschmacklichen Höhepunkt und heben sie dann meist nur mit Knoblauch und feinstem Olivenöl auf eine geschmacklich völlig neue Stufe. Etwa beim Entrée, einer Suppe aus roten Frühlingszwiebeln und Basilikum, oder der so berühmten lila Artischocke aus Nizza, die mit einer Emulsion auf Käsebasis angegossen und mit gegrillten Mini-Artischocken-Blättern drapiert wird. Dazu gibt es eine hervorragende Weinkarte, mit vielen leistbaren Positionen.

Interview

„Nizzas Gastro hat sich extrem entwickelt.“

Juliette Busetto und Samuel Victori gehören zu einer neuen Generation junger, sehr erfolg-reicher Gastronomen in Nizza, die die Stadt mit ihren innovativen Konzepten beleben. FRISCH erzählen sie über ihre Gruppe Les Agitateurs und was die Stadt für sie ausmacht.

Sie beide sind selbst erst vor relativ kurzer Zeit nach Nizza gezogen. Die Stadt scheint derzeit generell Gastronomen von überall her anzuziehen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Wir sind jetzt seit sechs Jahren hier und seitdem hat sich wirklich enorm viel getan. Wir haben eine ganze Welle neuer Gastronomen hier landen sehen, die alle völlig unterschiedliche, aber immer relevante neue Küchen und Konzepte mitgebracht haben.

Sehen Sie das nur positiv?

Naja, der Wettbewerb am Markt ist dadurch natürlich gewachsen. Aber noch findet jeder seine Nische. Die größeren Restaurantgruppen orientieren sich eher an der breiten Masse. Daneben gibt es aber auch viele Konzepte wie unseres, die auf Autorenküche setzen.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Rolle der Touristen?

Das ist ein sehr wichtiger Faktor für uns an der Côte d'Azur generell. Diesen Winter war beispielsweise wegen der diversen politischen Krisen etwas weniger los und für einige Gastronomen wurde es da schnell ziemlich kompliziert. Der Sommer ist aber nach wie vor die Hauptsaison für uns und wir sind froh, dass Frankreich generell für seine Lebensart und die qualitativ hochwertige Küche bekannt ist. Deswegen suchen die Touristen hier auch aktiv nach wirklich hochwertigen Restaurants. Das hilft uns als Sternelokal.

Das Les Agitateurs ist aber nicht Ihr einziges, oder?

Nein, wir betreiben noch das Bistro Pirouette, wo man à la carte essen kann, und das Restaurant Sous les Pins in der Fondation Maeght, einem berühmten Kunstmuseum etwas außerhalb der Stadt. Die Lage ist einfach herrlich und wir versuchen auch dort den Spagat zwischen klassischer französischer Küche und innovativen, neuen kulinarischen Momenten hinzubekommen.

Hätten Sie ein Beispiel?

Momentan steht wohl das „Poireaux Mozaique“ am besten für unseren kulinarischen Stil. Dieser gedämpfte Lauch mit einer Vinaigrette ist eine typische französische Vorspeise, wie sie oft in Brasserien serviert wird. Wir kombinieren das mit den Erinnerungen der Franzosen an Pot au Feu, einen Eintopf-Klassiker, der ewig simmern soll und eine herrliche Brühe ergibt. Unser Lauch-Mosaik wird deshalb mit einer fettigen Rindssuppe auf Basis von Fleischsaft und Mark angegossen, die mit Trüffel verfeinert ist. Das Ganze ist sehr reichhaltig und geschmacklich absolut überraschend!

Wie wichtig sind Ihnen bei der Entwicklung solcher Gerichte eigentlich die Region und ihre Produkte?

Jeder Koch muss die Region um Nizza einfach lieben. Wir haben als Gastronomen wirklich großes Glück, mit diesem speziellen Terroir und dieser tiefen kulinarischen Identität und Geschichte arbeiten zu dürfen. Für uns drückt sich die Cuisine Provençal vor allem durch ihren vollen Fokus auf erstklassige Produkte aus. Wir haben deshalb über die Jahre ein Netzwerk an regionalen Bauern, Fischern und Metzgern aufgebaut, die uns verlässlich beliefern.

Hätten Sie ein paar Beispiele?

Es gibt so viele! Zucchini-Blüten bekommen wir etwa von NIcolas Treins, Basilikum und Knoblauch von Albert Luciano und unseren Fisch von einem der letzten Fischer von Nizza, Loic Barbadelle.

Klingt spannend! Werden wir vielleicht bald schon eine weitere Restaurant-Eröffnung sehen?

Das vielleicht nicht. Wir haben ja kürzlich erst das Sous les Pins übernommen. Aber wir suchen ein neues Lokal fürs Les Agitateurs, weil wir unseren Gästen gerne mehr Platz und Komfort geben möchten. Ich denke, es ist Zeit, dass unser Konzept einer authentischen und zugleich modernen provencalischen Küche endlich einen Ort findet, wo unser Ansatz noch sichtbarer und zugänglicher wird.

Juliette, Samuel, vielen Dank für das Gespräch! 

 

Juliette Busetto & Samuel Victori

Die beiden Gastroprofis mit Ausbildung im Institut Paul Bocuse in Lyon hatten schon mehrere gemeinsame Stationen hinter sich, bevor sie in Nizza ihr Les Agitateurs im Gebäudeblock direkt hinter dem Port Lympia eröffneten. Dort überzeugen sie nicht nur mit ihrer Küche, sondern auch mit betriebswirtschaftlichem Überblick. Heute betreiben sie deshalb auch das Pirouette und das Restaurant Sous les Pins.

Angelina

London

Großer oder kleiner Hunger? Das sollte man sich im Angelina gut überlegen, denn zur Wahl stehen nur zwei Menüs – 4 Gänge oder 10 Gänge. Die Empfehlung liegt ganz klar bei der 10, denn wo sonst hat man die Möglichkeit, an einem einzigen Abend der Seele des Itameshi-Universums so nahe zu kommen? Jede Kreation, jede Speisenfolge und jedes Detail ist von vorne bis hinten durchdacht. Thank you.

Österreichisches Heimspiel

Um die Itameshi-Küche zum Glänzen zu bringen, bedarf es also schon einiger Erfahrung in der japanischen Küche und natürlich auch einer ordentlichen Portion Kreativität. Beides beweist die Mochi-Gruppe mit ihren fünf Lokalen in Wien seit über einem Jahrzehnt. Anfang 2024 eröffneten sie nun die Cucina Itameshi und haben damit ein weiteres Highlight hinzugefügt. „Die einen sind berühmt für ihre Pasta, die anderen für ihre Ramen“, sagt Sandra Jedliczka, eine der vier Mochi-Gründer. „Die beiden Küchen haben nicht nur viele Gemeinsamkeiten, sondern sie ergänzen sich auch ganz wunderbar.“

Die italienisch-japanische Kombination in spannende Gerichte zu übertragen, ist die Aufgabe von Co-Gründer und Küchenchef Edi Dimant. Er löst sie mit Bravour, jedes einzelne Gericht hat das gewisse Itame-
shi-Extra. Das Carpaccio vom X.O. Beef wird mit Parmesan, Wasabi und einer raffinierten Zwiebel-Tsukemono-Marinade serviert, die hausgemachten Tortellini mit Shrimps-Prosciutto-Füllung liegen in einer mit Wasabi angeheizten Dashi-Brühe. Die gegrillten Anglerfilets begleiten ein Lardo-Dashi-Fond und knackiger Balsamico-Kohl, das Miso-Hühnchen kommt mit cremiger Polenta und Pecorino. Auch Steaks werden sowohl in Italien wie auch in Japan gerne gegessen, also wird das Dry-Aged Rib Eye in der Cucina Itameshi von einer Balsamico-Teriyaki-Sauce begleitet, dazu gibt’s Peperonata und Kartoffeln. Einzig die Dolce wie Tiramisu oder der Affogato bleiben hier rein italienisch. Weil sie perfekt sind, so wie sie sind, sagt Edi Dimant.

Was kann den weltweiten Erfolg der Itameshi-Küche jetzt eigentlich noch aufhalten? Eine Tomatenkrise? Ein Sojasauce-Exportverbot? Ein Veganer-Diktat? Nein. Nichts dergleichen wird Itameshi aufhalten, weil diese Küche so vielfältig ist, so kreativ und so voller Umami steckt, dass man gar nicht anders kann, als sie zu lieben.

Cucina Itameshi

Wien

Und sie haben es schon wieder getan. Die auf japanische Ess-& und Trinkkultur spezialisierte Mochi-Gruppe gönnt sich eine neue Spielwiese und eröffnete Anfang des Jahres die Cucina Itameshi. In den Gemäuern eines prachtvollen venezianischen Palazzos in Wien hofiert das Team seine Gäste mit moderner Fusionsküche, die ihresgleichen sucht. Weil ihnen aber Spießigkeit völlig fremd ist, gibt’s an ausgewählten Abenden eine Easy Listening Bar, in der sich Italo-Drinks mit einem Hauch Japan zu lässigen analogen Sounds genießen lassen.

Basta Pasta

New York

Wenn sich ein Restaurant selbst als den besten Italiener in Town feiert, dann überkommt den geübten Gourmet reflexartiges Misstrauen. Doch hier kann getrost Entwarnung gegeben werden. Understatement ist eben keine Tugend amerikanischen Frohsinns. Das Basta Pasta liefert tatsächlich höchstsolide italienische Küche und so ganz nebenbei auch ziemlich feine Itameshi-Gerichte. Also Misstrauen wieder einpacken und lieber mitfeiern.

Interview

„Itameshi lebt von der Kreativität.“

Seit zwölf Jahren begeistert die Mochi-Gruppe in Wien mit japanischer Ess- & Trinkkultur. Jüngster Clou: Die Cucina Itameshi mit spannender
Fusionsküche. Co-Founderin Sandra Jedliczka über Ideen, Ziele und persönliche Favoriten.

Wie kamen Sie zur Idee, ein Itameshi-Restaurant zu eröffnen?

Es lag tatsächlich an der Location. Wir hatten die Möglichkeit, das Restaurant im wunderbaren Dogenhof, einem der schönsten Häuser in Wien-Leopoldstadt, zu übernehmen. Das Gebäude wurde nach dem Vorbild der Ca‘ d’Oro in Venedig gestaltet. Ein italienisches Restaurant zu starten, hätte sich natürlich angeboten, aber die japanische Küche ist ganz fest in unserer DNA verankert, darum haben wir uns nach eingehender Recherche für die Küchenrichtung Itameshi entschieden.

Was ist für Sie das Wesentliche am Itameshi-Konzept?

Der Begriff Itameshi wird durch die Kombination der japanischen Wörter für Italien und Gericht gebildet. Er ist in Japan ein gängiger Sammelbegriff für Restaurants mit italienischer Küche, in denen mal mit mehr, mal mit weniger lokalen japanischen Zutaten gekocht wird. Wir fokussieren uns auf die Verbindung der beiden Küchen. Für uns ist es wesentlich, in unseren Gerichten das Beste aus beiden Geschmackswelten, der italienischen und der japanischen, zu vereinen und damit jedes Gericht auf eine neue geschmackliche Ebene zu heben.

Welche Gerichte oder Zutaten eignen sich besonders dafür?

Wir mischen beispielsweise Burrata mit Nori, Carpaccio mit Wasabi und Parmesan, auch Balsamico und Teriyaki ergänzen sich ganz wunderbar. Man braucht auch den Mut, einmal was Neues auszuprobieren. Die Itameshi-Küche hat ja keine starren Regeln, ganz im Gegenteil, sie lebt von der Kreativität. Und je erfahrener und versierter man in der Verwendung japanischer Zutaten ist, umso leichter wird es, spannende und überraschende Geschmacksmomente zu erzielen.

Ihre persönlichen Top 3 der Itameshi-Küche?

Ich würde mit Filled Focacciotto beginnen, also frisch gebackenem Focaccia aus dem Holzofen mit Chashu, Mozzarella, Wasabi, Chili Crunch und Wafu Salat. Dann fällt die Entscheidung auf zwei Nudelgerichte, weil hier die Kombination der beiden Küchen so großartig gelingt. Meine Wahl fällt zunächst auf Udon Vongole, dicke japanische Udon Nudeln mit Vongole, ´Nduja, Nori und Olivensud, und mein drittes Lieblingsgericht ist Tortellini in brodo, das sind hausgemachte Teigtaschen mit einer Shrimps-Prosciutto-Füllung in einem japanischen Tsuyu-Dashi.

Wird es noch weitere Standorte der Cucina Itameshi geben?

Nein, der Dogenhof ist von seiner Architektur so einzigartig, das kann und sollte man nicht kopieren. Außerdem ist es unser Anspruch als Mochi-Gruppe, immer neue Ideen zu verwirklichen und nicht einfach nur die Copy/Paste-Tasten zu drücken, weil es erfolgreich ist. Unser Business lebt von der Kreativität, so wie die Itameshi-Küche. Insofern schließe ich nichts aus. Lassen wir uns überraschen, was die Zukunft bringen wird.

Sandra, vielen Dank für das Gespräch!

 

Mochi Gruppe

2010 haben Tobias Müller, Sandra Jedliczka sowie Eduard und Nicole Dimant in Wien ihr erstes japanisches Restaurant eröffnet – das Mochi Sushi & Grill Restaurant. Vier Jahre später folgte mit dem o.m.k. – Take away & Deli das japanische Pendant zur traditionellen Greißlerei. 2017 überraschen die vier Japan-Spezialisten mit einem neuen Konzept. Diesmal eröffnen sie die Mochi Ramen Bar, eine Hommage an die Nudelsuppenküche Japans. Nur zwei Jahre später der nächste Streich: Mit der Kikko Bā – Wine Bar & Snacks werden die fernöstliche Trinkkultur und der hauseigene Kikko-Sake entsprechend gewürdigt. Den vorläufigen Schlusspunkt der Expansion bildet im Jänner 2024 das Opening der Cucina Itameshi.

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