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Cucina Eterna

Roms Gastro ist gesegnet mit einer Weltküche. Jedes Jahr strömen zig Millionen Menschen in die Stadt und laben sich an ewigen Klassikern wie Carbonara, Cacio e Pepe oder Pizza. Ein Erfolgsrezept, das zu kulinarischer Stagnation führen kann. Doch viele Gastronomen arbeiten mittlerweile daran, das zu verhindern. 

Römer probieren nicht gern Neues. Warum auch? Haben sich doch Pizza, Pasta und Gelato rund um den Globus als ewige Benchmark dafür durchgesetzt, was Menschen schmeckt. Das erkennt man bei einem Bummel durch Roms Centro Storico mit seinem Meer bestaunenswerter antiker Steinhaufen sofort. Wenn sich beispielsweise vor dem Panino All'Antico Vinaio in der Via della Rosetta in der Nähe des Pantheons lange Touristen-Schlangen bilden, um ein riesiges Stück Panino zu ergattern, das eigentlich eher eine Pizza Bianca mit verschiedenen Belägen ist. Oder sich Menschen in dutzenden Weltsprachen untereinander fragen, warum sie bei der gehypten Gelateria Giolitti eine gefühlte Ewigkeit für ein Stanitzel Eis anstehen, das sie woanders in zwei Minuten in der Hand halten würden. 

Lebensader Tourismus

Nach den düsteren Covid-Jahren läuft es also wieder rund für die römischen Gastronomen. „Der Tourismus ist eine der Lebensadern für die Gastro in der Ewigen Stadt, das steht außer Frage“, bestätigt auch Katie Parla. Die Amerikanerin lebt seit vielen Jahren in Rom, hat schon mehrere Kochbücher geschrieben und verrät neben Touristengruppen auch Filmemachern und Streamingplattformen ihre Geheimtipps. „Natürlich gibt es viele Betriebe, die ausschließlich Touristen ansprechen“, erzählt sie. „Aber durch das Wegbleiben dieser Gäste während der Pandemie ist wieder mehr Gastronomen bewusst geworden, dass die Balance zwischen einheimischem Publikum und Touristen stimmen muss und sie sich vom reinen Klischee wegentwickeln müssen.“ 

Bestes Beispiel für eines dieser kulinarischen Klischees: Das Triumvirat aus „Pasta alla Carbonara“, „Cacio e Pepe“ und „Amatriciana“, das in Rom fast jede Trattoria auf der Karte hat. Nur selten ist die Qualität der Zutaten jedoch so hoch und ihre nur scheinbar simple Komposition so gelungen wie bei Armando al Pantheon. Das Lokal gibt es in der Salita de’ Crescenzi 31 seit über 60 Jahren. Heute führen es die beiden Brüder Fabrizio und Claudio Gargioli gemeinsam mit ihren Töchtern bereits in der dritten Generation. „Als mein Vater es eröffnet hat, war es eine einfache Osteria mit Sägemehl am Fußboden, in der Arbeiter und Schafhirten nach der Pasta noch ihr mitgebrachtes Essen verzehren durften und dazu den Hauswein tranken“, erzählt Küchenchef Claudio aus den Anfangsjahren in den 60ern. Ähnlich wie die Heurigen in Österreich betreibt die Familie zusätzlich ein Weingut. „Damals hat mein Vater 500 Liter einfachen Tafelwein in der Woche verkauft“, lacht er über die irre Menge. Und noch etwas sei damals anders gewesen: „Produkte wie Artischocken, Puntarelle oder Brokkoli wurden auf Märkten wie dem Campo de' Fiori nur verkauft, wenn sie Hochsaison hatten. Diese Qualität gibt es nicht mehr“, ist Claudio Gargioli sich sicher. 

Geheimnis Zutaten

Geschmacklich bewegen sich die Gerichte der Gargiolis trotz kritischem Blick zurück noch immer auf allerhöchstem Niveau. Das liegt primär daran, dass einfache Zutaten wie der luftgetrocknete Wangenspeck Guanciale der handgemachten Pasta seine einzigartigen, im Vergleich zum geräucherten Pancetta, eher milden Aromen mitgibt. Oder der gereifte lokale Schafskäse Pecorino Romano für Umami-Freuden sorgt, die die Römer gerne mit einem hin- und hergedrehten Zeigefinger an der Wange andeuten. 

„All das sind sehr günstige Produkte“, erklärt dazu Expertin Parla ein weiteres Erfolgskriterium für die vielen Familienbetriebe in der Stadt: „Die römische Küche ist für ihre Einfachheit, ihre mutigen Aromen und ihren Einfallsreichtum bekannt. In dieser sogenannten „Cucina Povera“, der Küche der armen Leute, geht es immer darum, aus wenig das Beste zu machen“, unterstreicht sie. Ähnlich wie in Wien sind deshalb auch Innereien ein wesentlicher Teil des Speiseplans. Bei Armando al Pantheon etwa als „Rigatoni con la Pajata“, einer Pasta mit Milchkalbsinnereien in Tomatensauce mit Parmesan. Was zuerst heftig klingt, wurde in Rom als „Quinto Quarto“ geschmacklich zur Perfektion gebracht. Denn die römischen Gerichte, die Urlauber heute als Klassiker verehren, stammen fast alle aus Küchen, die sich die Edelstücke aus den Schlachthöfen nicht leisten konnten und deshalb mit Wegwerfprodukten kochen mussten – dem fünften Viertel eben. Heute haben Roms Gastronomen dieser ursprünglichen Küche eine grundsolide wirtschaftliche Basis zu verdanken, die ihnen mit geringem Wareneinsatz und hohem Genussfaktor einigen Wohlstand beschert hat. Das zeigt auch die Trattoria der Gargiolis, wo heute selbst Stars wie Willem Dafoe vorbeischauen. Und dennoch ist Roms Gastroszene anders. Denn es dominieren generell Familienbetriebe mit langer Geschichte, die traditionell kochen und wenig Lust zeigen zu expandieren oder gar zu einer Gruppe mit mehreren Konzepten heranzuwachsen. Das ist zutiefst sympathisch, kann allerdings zu kulinarischer Stagnation führen. 

„DER GASTRO IST BEWUSST, DASS SIE SICH VOM KLISCHEE WEGENTWICKELN MUSS.“ (KATIE PARLA, KOCHBUCHAUTORIN & GASTROEXPERTIN, ROM)

Tramezzini trifft Pizza

Dass es auch anders gehen würde, beweist Stefano Callegari mit seinem Trapizzino. Angefangen hat er mit einer kleinen Pizzeria im Arbeiterviertel Testaccio, wo die traditionelle römische Küche von den Bewohnern vielleicht noch mehr geliebt wird als anderswo in der Stadt. Dort entwickelte der Bäcker und Pizzaiolo seinen Hybrid aus Pizza und Tramezzini. „Ich wollte mit meinem Pizzateig etwas Neues ausprobieren. Die Füllung sollte auf beiden Seiten von Teig umschlossen sein, wie bei einer Focaccia, einem Panini oder eben Tramezzinis. Darin wollte ich unsere traditionellen römischen Gerichte auf die Hand servieren“, erklärt er. Das Problem dabei: Die Saucen. „Was konnte ich also tun? Ich habe dann realisiert, dass man die Ecken einer klassisch römischen Blechpizza nehmen kann, um sie zu einer Tasche zu formen, die das eigentliche Gericht aufnimmt“, schildert er die Geburtsstunde von Italiens derzeit erfolgreichstem Street Food. Heute sind die drei beliebtesten Füllungen geschmortes Hühnchen alla Cacciatora, Rinderzunge in grüner Salsa oder ein Polpetta in Sugo. Und wie haben die traditionsverliebten Römer darauf reagiert? „Gerade die alten Bewohner des Viertels begegneten uns erst mit Skepsis. Es kam ihnen seltsam vor, was wir da taten. Aber allmählich gewöhnten sich die Menschen an diese neue Art, traditionelle Gerichte zu essen.“ 

Der Blechpizza-König

So sehr, dass Callegari nicht nur in Rom sechs Filialen betreibt, sondern sechs weitere in ganz Italien und mittlerweile sogar eine in New York. Für römische Verhältnisse trotz weltweit so geschätzter Küche unüblich, wie Katie Parla bestätigt: „Die meisten Betriebe sind hier mehr damit beschäftigt, ihre regionalen Traditionen zu bewahren als sie in die Welt zu tragen. Das einzige andere Beispiel wäre vielleicht noch Gabriele Bonci.“ 

Der führt im Bezirk Prati gleich hinter dem Vatikan das Pizzarium Bonci und ist in Italien dank seiner berühmten Kochsendung ein Fernsehstar. Gemacht hat ihn dazu unter anderem seine Pizza al Taglio, die typisch römische Blechpizza, die erst in den 1970ern in der Stadt erfunden wurde. Sie unterscheidet sich von der neapolitanischen Variante nicht nur dadurch, dass sie eckig ist und auf langen Blechen im Elektro- statt im Holzofen gebacken wird, sondern auch durch den Teig. Denn der ist gleichmäßig dünn ausgebacken und knuspriger als in der neapolitanischen Version. Außerdem hat er auch keinen dicken Rand mit der charakteristischen Blasenbildung, die nur im Holzofen entstehen kann. 

Trend Neo-Trattoria

Belegt wird mit allem, was Bonci gerade so in den Sinn kommt. Sein Favorit sei etwa Pizza mit „Prosciutto e Ananas“, meint er. Es gibt aber auch Pizza Bianca mit Zucchiniblüten und Sardellen, Pizza mit Kartoffeln, eine mit Pilzen, mit Mortadella oder Culatello. Nichts ist unmöglich. „Eine Margherita wirkt bei uns als Belag komischer“, unterstreicht diesbezüglich Bonci, denn seine Pizza habe nichts mit der traditionellen, runden Pizza zu tun. „Wir haben eine neue Form erschaffen, die komplett neu entdeckt werden kann und die allen gehört. Eine Pizza Popolare!“ Deshalb wird die Pizza Al Taglio auch anderswo in Rom nicht als Ganzes verkauft, sondern in Stücken, die nach Gewicht bezahlt werden. Zwei bis vier Euro ist der übliche, recht schmale Preis. Ein Konzept, das mittlerweile auch erste internationale Erfolge feiert. Seit ein paar Jahren gibt es Boncis Pizza auch in Chicago und seit kurzem sogar in Miami.

Doch auch abseits der medial gut dokumentierten Konzepte dieser Gastrostars tut sich was in der Ewigen Stadt. In den letzten Jahren sperren in den weniger touristischen Stadtvierteln immer mehr Neo-Trattorias auf, die meist von jungen Köchinnen und Köchen geführt werden, die nach einigen Jahren im Ausland wieder in die Heimat zurückkehren. Ein Beispiel ist das Santo Palato an der Piazza Tarquinia im Wohnviertel Appio-Latino, das Sarah Cicolini führt. Sie und ihr Team wurden großteils in der Sternegastro ausgebildet und übersetzen dort die berühmte jüdische Küche Roms ins heute. Ochsenherz kommt beispielsweise als Carpaccio mit Olivenöl und Meersalz an den Tisch. Und geschmorter Ochsenschwanz wird mit dunkler Schokolade vermengt, zu einer kleinen Kugel geformt, dann frittiert und auf ein Pesto aus Erdnüssen und Liebstöckel gesetzt. Herrlich! Dazu gibt es eine zentimeterstarke Weinkarte, die fast ausschließlich auf Naturweine setzt. 

Naturwein-Boom

Hochgeschätzt unter Rom-Kennern ist außerdem die etwas konservativer kochende Trattoria Pennestri in Ostiense mit ihrer saisonal wechselnden Marktküche. Wenn man Glück hat, finden sich auf der Karte etwa wunderbar bissfeste Pici, eine dickere Spaghetti-Sorte aus der Toskana, die von Hand gerollt und mit sautiertem Chicorée und gebratenen Brotkrümeln serviert werden. Die wirklichen Kenner der Gastroszene versuchen allerdings längst einen der begehrten Plätze im soeben neu eröffneten Isotta zu bekommen, der Nachbarschafts-Trattoria von Davide Pulejo, der in Rom unter seinem Namen auch ein Sternerestaurant betreibt. Oder sie pilgern gleich ins Mazzo, eine ehemalige Lokal-Institution aus Centocelle, das den gastronomischen Aufschwung dieses Viertels maßgeblich mitverantwortet hat. Seit letztem Jahr zeigt es nun nach längerer Pause in San Lorenzo, wo bei der Neuinterpretation der römischen Küche vorne ist. Die beiden Betreiber Francesca Barreca and Marco Baccanelli kochen dort beispielsweise ihren Remix der „Trippa alla Romana“. Dafür werden die Kutteln im Originalgericht in Tomatensauce mit Minze gekocht. Im Mazzo wird daraus ein krosser Snack, bei dem der Kuhpansen in längliche Streifen geschnitten, paniert, frittiert und dann auf eine Tomatensauce zum Dippen gesetzt wird. Dazu gibt es ein Minzblatt und reichlich Pecorino, was süßlich-frische und salzige Aromen beisteuert. So simpel! Und doch die äußerst gelungene Neuinterpretation eines Gerichts, das seit Jahrhunderten für die römische Kulinarikwelt steht. Auch hier darf natürlich der Naturwein nicht fehlen. In diesem Bereich passiert in der Ewigen Stadt vielleicht gerade noch mehr als in kulinarischer Hinsicht. Vinificio, Barred, Bar Bozza, Avanvera oder Menabò sind nur einige der hippen Lokale, die auf die Kombination aus Weinbar und kleinen Speisen setzen. Rom bietet damit auch abseits der ewigen Klassik wieder vieles, das es zu entdecken gilt. Allora, andare a Roma!

„DER APPETIT DER RÖMER AUF INNOVATIVE LOKALE UND NATURWEIN WÄCHST.“ (KATIE PARLA, KOCHBUCHAUTORIN & GASTROEXPERTIN, ROM)

3 Konzepte

Texanische Römerin

Für eine der kulinarischen Hauptstädte der Welt ist die Fine Dining Szene Roms eher klein. Denn selbst wohlhabende Einheimische gehen lieber in die Nachbarschafts-Trattoria essen. Man muss sich also schon etwas einfallen lassen, um herauszustechen. Cristina Bowerman gelingt das in der Glass Hostaria in Trastevere auch, weil die gebürtige Italienerin viele Jahre im texanischen Austin gelebt und gekocht hat. Von dort hat sie einen frischen Zugang zur Küche ihrer neuen Heimatstadt mitgebracht, der viel weltoffener ist, als es Römer normalerweise gut finden. Also gibt es zum Beispiel Gnocchi mit Seeigel und Salzzitrone oder ihr Signature, die Ravioli mit flüssigem Parmigiano. Dafür stellt sie mit 60 Monate gereiftem Parmesan eine leichte Bechamel mit wenig Milch und etwas Gelatine her, friert sie ein und verwendet sie dann als Füllung für die Ravioli.

Ottimo Cibo di Strada

Stefano Callegari ist besessen von Teigen. Schon als Jugendlicher arbeitete er in einer Forno und schaute sich dort die Geheimnisse der Bäcker ab, die in Rom auch Pizza Bianca oder Pizza al Taglio anbieten. In seiner eigene Pizzeria in Testaccio experimentierte er später weiter und entwickelte 2013 schließlich einen Teig, der auch Saucen aufnehmen konnte, ohne sofort durchzuweichen und zu reißen. Die Geburtsstunde des Trapizzino, einer dreieckigen Pizzatasche, in die er nun die ewigen Klassiker der römischen Küche füllen konnte. Und zwar so, dass man sie auch unterwegs genießen kann. Als Füllungen gibt es nicht nur Rinderzunge mit grüner Salsa, sondern auch Doppia Panna e Alici mit Stracciatella und Anchovis oder die vegetarische Parmigiana de Melanzane. Obwohl das Konzept mit 13 Filialen extrem erfolgreich ist, konnte es übrigens bis heute niemand kopieren.

Trattoria futurismus

Hinter dem Mazzo steht mit Francesca Barreca and Marco Baccanelli eines der coolsten Gastro-Duos in der Ewigen Stadt. Schon in den frühen 2000ern tourten sie als „Gastronauts“ durch Europa und vermischten dabei Musik, Visual Art und Kochen. Kaum zurückgekehrt, gründeten die beiden dann zuerst ein Catering-Unternehmen und eröffneten schließlich des erste Mazzo in Centrocelle, das 2019 aber leider wieder zusperren musste. Nach fünf Jahren Kreativpause geht es nun in San Lorenzo mit einer Neo-Trattoria weiter, wie sie junge römische Foodies lieben. Mit Musik vom Plattenspieler, einer großen Naturwein-Karte und römischer Küche in neuem Gewand. Etwa beim frittierten Kuttel-Snack mit Pecorino zum Naturwein-Sprudel oder den genialen Lumache alla Romana, regionalen Weinbergschnecken, die in Tomatensauce und Minze gegart werden. Ein echter Tipp für aufgeschlossene Esser!

Interview

„Hier erzählt jedes Lokal eine Geschichte.“

Katie Parla beobachtet Roms Gastro seit vielen Jahren. FRISCH erzählt sie, was Corona verändert hat und wie wichtig die Produkte der Bauern des Latiums für die Gerichte der Stadt sind.

Wie hat sich die Gastroszene in Rom in den letzten Jahren entwickelt, Katie?

Durch Corona gab es gewaltige Herausforderungen, weil die Touristen ausblieben. Viele Lokale mussten schließen, viele andere haben dagegen überfällige Innovationen angestoßen. Sie feiern zwar noch immer die römische Küchentradition, passen sich aber besser an eine sich weiterentwickelnde kulinarische Landschaft an. Ich sehe die aktuell größte Chance darin, dass sie den Touristen das reiche Erbe der Cucina Romana in seiner ganzen Tiefe näherbringen und sich weniger der üblichen Klischees bedienen.   

Wollen das die Touristen wirklich? 

Sicher, die meisten Touristen kommen nach Rom und erwarten, dass sie Carbonara, Cacio e Pepe und Amatriciana bekommen. Aber die Popularität dieser Gerichte sollte die Köche der Stadt nicht in eine einzige kulinarische Ecke drängen, die jegliche Kreativität erstickt. Mittlerweile gibt es zum Glück einige herausragende Köchinnen und Köche, die zeigen, wie man traditionell und trotzdem kreativ kochen kann – Sarah Cicolini vom Santo Palato etwa. 

Sie kocht dort viel mit Innereien und bezieht sich auf die jüdische Tradition in Rom. Wie hängt beides zusammen? 

Bei der römischen Küche geht es im Kern darum, aus wenig das Meiste herauszuholen. Also wurden auch viele Innereien verkocht, das sogenannte Quinto Quarto. Das sind jene Teile, die im Schlachthof übrig blieben und nur schwer verkäuflich waren. Das jüdische Viertel in Rom ist eines der ältesten der Welt und die Bewohner gehörten viele Jahrhunderte zur ärmsten Bevölkerungsschicht. Die jüdischen Köche dort haben die kulinarische Identität der Stadt dadurch sehr stark mitgestaltet. Nicht nur durch ihre koschere Innereienküche, sondern auch durch vegetarische Gerichte wie „Carciofi alla Giudia“, die berühmten frittierten Artischocken oder „Concia di Zucchine“, marinierten Zucchini. 

Das sind meist simple Gerichte, die sich auf ein Produkt konzentrieren. Wie wichtig ist die Landwirtschaft des Latiums für Roms Gastro?

Pecorino, Guanciale, Artischocken, Puntarelle oder Chicorée: Ohne diese hyper-regionalen Produkte hätten die typischen, einfachen Gerichte wie Cacio e Pepe oder Carciofi alla Romana nicht dieselbe geschmackliche Tiefe! Denn die vulkanische Erde des Laziums und das milde Klima sind die Basis für außergewöhnliche Erzeugnisse speziell bei Obst, Gemüse und Wein. Ihren Beitrag zum Erfolg römischer Küche kann man gar nicht hoch genug einschätzen. 

Verkocht werden diese Zutaten meist von kleinen Familienbetrieben. Eine Besonderheit für die Gastro in einer Großstadt?

Ja, der Markt hier wird noch dominiert von Betrieben, die von Köchen und Familien geführt werden. Ganz anders als etwa in meiner Heimat USA, wo sich Restaurant-Gruppen immer mehr durchsetzen. Deshalb ist Rom auch so besonders. Jedes Lokal erzählt eine Geschichte, ist untrennbar mit einer Besitzerfamilie verknüpft und tief in seinem Viertel verwurzelt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Katie Parla

Die Amerikanerin ist vor vielen Jahren nach Rom gezogen und arbeitet dort als Autorin, Scout und Food Guide. Mittlerweile hat sie an 35 Büchern über die Cucina Italiana mitgearbeitet und sieben davon selbst geschrieben. Darunter Tasting Rome, The Food of the Italian South oder The Food of the Italian Islands
Mehr Info unter: www.katieparla.com

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